Nach Scholl-Kritik: Gomez wundert sich und kontert

Danzig (dpa) - Es ist schon kurios. Da schießt Mario Gomez Deutschland zum ersten EM-Sieg in der Ukraine - und dennoch wird wieder über seine Rolle in der Nationalmannschaft diskutiert. Der Stürmer wundert sich, dass die heftigste Kritik ausgerechnet aus den Reihen des FC Bayern kommt.

Für eine Sekunde schien Gomez sogar ein wenig amüsiert. „Überraschung, dass diese Frage kommt. Mehmet und ich - das ist so eine Sache“, sagte der Stürmer des FC Bayern in Danzig. Gomez sollte vor dem EM-Hit gegen Holland die Frage beantworten, inwieweit er verwundert sei, dass ausgerechnet Mehmet Scholl, ein Trainer seines Vereins, seine Leistung zum EM-Auftakt gegen Portugal so dezidiert kritisiert hatte.

Dann erzählte der Stürmer die Geschichte von einem gemeinsamen Besuch des Oktoberfestes. Scholl, Ex-Nationalspieler, Europameister von 1996 und jetzt ARD-Experte, habe Gomez dabei gesagt: „Seit ich Experte bin, denkst du, dass ich ein ... bin.“ Und weiter, „dass ich mein Potenzial nicht ausschöpfe und er das nur aus mir herauskitzeln will“. Erstaunen schwang mit bei Gomez' Erzählung.

„Ich war in den letzten fünf, sechs Jahren der beste Stürmer in Deutschland und habe in der Champions League in den letzten zwei Jahren nach Messi die meisten Tore gemacht“, verwies der gebürtige Baden-Württemberger auf seine außergewöhnliche Torquote, die schließlich auch Joachim Löw überzeugt hat.

Statt der bisherigen Stammkraft Miroslav Klose bekam Gomez im ersten Turnierspiel der deutschen Fußball-Nationalelf den einzigen Stürmerposten von Beginn an. Und der Bundestrainer sah sich in Lwiw bestätigt: „Mario hat das entscheidende Tor gemacht.“

Für den Kritiker und sozusagen Bayern-Kollegen Scholl war das zu wenig. Zwischendrin habe er Angst um Gomez gehabt, analysierte der Coach des Münchner Regionalliga-Teams vor 22 Millionen deutschen Zuschauern im Fernsehen, „dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss“. Gomez konterte mit dem Verweis auf Fakten: Lionel Messi vom FC Barcelona hat in der Königsklasse in den vergangenen zwei Spielzeiten insgesamt 26 Mal getroffen, Gomez kam auf 20 Treffer. „Ich möchte wissen, warum ich mich ändern soll?“, bemerkte Gomez nur.

Natürlich sei der Halb-Spanier, der inzwischen in 53 Länderspielen 23 Mal getroffen hat, ein anderer „Spielertyp“ als Klose, sagte Löw. Mit der recht eigenartigen Scholl-Ansicht aber wollte sich der DFB-Chefcoach nicht beschäftigen. „Ehrlich gesagt, habe ich keine Energie, mich um das zu kümmern, was der eine oder andere irgendwo sagt. Ich als Trainer habe eine andere Sichtweise auf die Dinge.“ Löw strich heraus: „Ich bin froh, zwei Klasseleute im Angriff zu haben.“

Grübeln wird Gomez dennoch über die unsachliche Attacke aus den eigenen Bayern-Reihen. Zumal nach einem Spiel, in dem der 26-Jährige im Duell zweier Teams auf Augenhöhe den entscheidenden Unterschied ausgemacht hatte. „Unser Verein, mia san mia, eine Familie“, sagte Gomez mit einem Anflug von Ironie. Um seine Anerkennung muss er auch beim FC Bayern kämpfen, seit er in München ist. Derzeit wird beim Vizemeister wieder kräftig über einen neuen Top-Stürmer als Konkurrenten gemunkelt.

Gomez will sich sein Selbstbewusstsein davon nicht nehmen lassen. „Er ist sehr gestählt, weil er häufig durch ein Tal der Schwierigkeiten gegangen ist in den vergangenen vier Jahren“, betonte Löw. Ob er Zweifel habe, dass er auch gegen Holland wieder von Beginn an spielt, wurde Gomez noch gefragt. „Nein“, antwortete der Torjäger.