Die 16 EM-Achtelfinalisten im Klischee-Check
Berlin (dpa) - Deutschland hat eine Turniermannschaft, die Italiener können Catenaccio, die Engländer spielen Kick and Rush: Im Fußball gibt es jede Menge nationale Klischees, im wahren Leben, neben dem Platz aber auch.
Manchmal sind sie Quatsch, manchmal enthalten sie auch mehr als ein Körnchen Wahrheit. Die 16 EM-Achtelfinalisten im Klischee-Check:
Zum Spiel Schweiz - Polen, 25. Juni, 15.00 Uhr
SCHWEIZ
Klischee: Eigenbrötlerische Bergbauern und Präzisionsfanatiker
In Wahrheit sind Schweizer weltoffene Leute. Die Nationalmannschaft - Kosename „Nati“ - ist nach Frankreich Integrations-Vizemeister: 63 Prozent der Spieler haben einen Migrationshintergrund - viele von ihnen hätten sich entscheiden können, für ein anderes Land aufzulaufen. Und zur Schweizer Präzision: Die meisten Torschüsse gehen daneben - wie bei den Deutschen.
POLEN
Klischee: Schwarze Madonna, Johannes Paul II. und Solidarnosc
Der polnische Papst Johannes Paul II. und der schnauzbärtige Arbeiterführer Lech Walesa dürften neben Bayern-Stürmer Robert Lewandowski auch heute noch die bekanntesten Polen sein. Doch auch wenn Polen zu den am stärksten vom Katholizismus geprägten Ländern Europas gehört - die Zahl der Kirchgänger geht vor allem in den Städten zurück, die Gesellschaft ist bunter geworden. Johannes Paul II. ist trotzdem mittlerweile Nationalheiliger.
Zum Spiel Wales - Nordirland, 25. Juni, 18.00 Uhr
WALES
Klischee: Diese Waliser haben ihren roten Drachen selbst noch in Spanien auf dem Badehandtuch.
Die Wahrheit: Ist in der Tat so, aber nicht ohne Grund: Der walisische Drache gilt als eines der ältesten Wappentiere der Welt, er soll schon die Standarten keltischer Krieger geziert haben.
NORDIRLAND
Klischee: Ein rückständiges Land, das noch immer schwer vom Bürgerkrieg gezeichnet ist.
Die Wahrheit: Die Narben gibt es noch, aber: Wer einen Wochenendtrip nach Belfast bucht, erlebt eine ebenso schicke wie coole Partymetropole.
Zum Spiel Kroatien - Portugal, 25. Juni, 21.00 Uhr
KROATIEN
Klischee: Kroatien gehört zum Balkan. Punkt.
Die Kroaten wollen um keinen Preis zum Balkan gehören, obwohl sie in Südosteuropa leben. Sie sehen sich selbst als Mitteleuropäer und nicht dem südlich gelegenen Orient, sondern dem Abendland zugehörig. Dennoch befinden sie sich in der Selbstwahrnehmung zuweilen im mythischen Reich von 1001 Nacht: Die Frauen sind die schönsten der Welt, die Kroaten sind Super-Liebhaber, ausgezeichnete Autofahrer, liebenswerte Gastgeber und überaus geistreiche Menschen, so jedenfalls das Volksempfinden, das die heimischen Medien immer wieder und gern mit realitätsnäheren Einschätzungen zurechtrücken.
PORTUGAL
Klischee: Viel essen, viel Melancholie.
Die Portugiesen gelten als Menschen, die gerne und viel essen, melancholisch sind und ständig Fado hören. In der Tat wird man in Lissabon oder Porto überdurchschnittlich oft zum üppigen Mittag- oder Abendessen eingeladen oder etwa für eine Besprechung ins Restaurant gebeten. Die Portugiesen gelten zwar als reservierter als ihre Nachbarn aus Spanien, sie sind aber alles andere als freudlos. Fado galt lange als „Oma-und-Opa-Musik“, ist aber dank Topsängerinnen wie Mariza und Carminho bei den jüngeren Generationen wieder im Kommen.
Zum Spiel Frankreich - Irland, 26. Juni, 15.00 Uhr
FRANKREICH
Klischee: Vive la France mit und ohne Klischees
Zum Picknick mit Blick auf den Eiffelturm gibt es Baguette, Croissants und Rotwein. Paris ist lichtdurchflutet, die Stadt wimmelt von jungen Paaren, die sich hier ewige Liebe schwören. Jede Küste hat die besten Austern, nach dem Streik liegen Franzosen im Sommer am Strand - nur in Frankreich, weil sie keine anderen Sprachen können. Zum Nachtisch gibt es dann Käse in den leckersten Variationen. Alles Frankreich-Klischees, die von zahllosen Franzosen jeden Tag widerlegt werden - und schon im Bistro an der nächsten Ecke zu finden sind.
IRLAND
Klischee: Iren stehen ständig im Pub und trinken Guinness.
Die Wahrheit: Viele Pubs mussten in den vergangenen zehn Jahren schließen, im Übrigen trinken die Iren weniger Bier als die Deutschen und auch immer weniger Guinness. Dennoch: Die wunderbar feiernden irischen Fans tun ihr Bestes, um diesem Klischee gerecht zu werden - aber auf sehr sympathische Weise.
Zum Spiel Deutschland - Slowakei, 26. Juni, 18.00 Uhr
DEUTSCHLAND:
Klischee: Pünktlich, effizient, humorlos.
Es funktioniert sicher nicht alles einwandfrei in der Bundesrepublik - siehe nur große Bauvorhaben wie der Berliner Flughafen BER oder das Bahnprojekt Stuttgart 21. Aber alles in allem geht das Leben doch einen sehr geregelten Gang: Die Müllabfuhr kommt pünktlich, Wasser/Strom/Gas funktionieren, auf Handwerker ist einigermaßen Verlass und die Bahn ist deutlich besser als ihr Ruf. Wäre noch die Sache mit dem Humor. Okay, Klischee ist manchmal auch die reine Wahrheit.
SLOWAKEI
Klischee: Dieses Land kennt keiner.
Tatsächlich wird das Land oder die Fahne bei Sport-Turnieren oder sonstigen internationalen Großveranstaltungen immer mal wieder mit Slowenien verwechselt, oder die Fans müssen erklären, dass sie nicht Tschechisch, sondern Slowakisch sprechen. Ein echter Trost: Jetzt kennt zumindest Fußball-Europa das Land.
Zum Spiel Ungarn - Belgien, 26. Juni, 21.00 Uhr
UNGARN
Klischee: Gulasch, nichts als Gulasch
Ungarn gleich Gulasch, Gulasch gleich Ungarn. Weltweit ein wohl unausrottbares Klischee - nicht ganz zu Unrecht. Die sättigende Fleischspeise diente sogar als politische Metapher: „Gulaschkommunismus“ hieß von den 60er Jahren bis zur Wende das vermeintlich noch freundlichste Regime im damaligen Ostblock. Wer aber dieses Gericht in Ungarn essen will, muss im Restaurant „pörkölt“ bestellen, sonst gibt es kein Gulasch, sondern eine Hirtensuppe mit Rindfleischbrocken, die ungarisch „gulyas“ heißt.
BELGIEN
Klischee: Pommes, Pommes und nochmal Pommes
In Belgien gibt's nur Pommes zu essen - so das Klischee. Und tatsächlich: Die Dichte an Frittenbuden ist in manchen Teilen der Hauptstadt Brüssel ziemlich hoch, die Warteschlangen lang. Doch wer Belgien kennt, der weiß, dass das Land kulinarisch mehr zu bieten hat: Pralinen, Waffeln, Bier. Und natürlich „Moules frites“, also einen Topf dampfender Miesmuscheln mit Pommes-Beilage. Aber da sind sie ja schon wieder, die Fritten.
Zum Spiel Italien - Spanien, 27. Juni, 18.00 Uhr
ITALIEN
Klischee: Die Italiener sind „mammoni“, also Muttersöhnchen.
Das stimmt! Zwei von drei Italienern zwischen 18 und 34 Jahren leben noch bei den Eltern (Zahlen von Eurostat). Die Mamma geht den meisten erwachsenen Männern immer noch über alles, speziell wegen ihrer meist hervorragenden Kochkünste in puncto Pasta und Pizza - aber auch, weil es schlicht billig und bequem ist, weiter im elterlichen Heim zu leben, Hotel Mamma halt.
SPANIEN
Klischee: Flamenco, Stierkampf, Siesta.
Die Wahrheit: Der Flamenco ist nur eine einzige Musikrichtung von vielen und in erster Linie im Süden heimisch. Vom Stierkampf wollen viele Spanier nichts wissen - auch wegen des Tierschutzes. Und die Siesta? Immer weniger Spanier gönnen sich ein Mittagsschläfchen.
Zum Spiel England - Island, 27. Juni, 21.00 Uhr
ENGLAND
Klischee: In England regnet es dauernd.
Die Wahrheit: Viel regnen tut es nur in den westlichen Landesteilen. London bekommt im Jahr weniger Regen ab als Madrid oder Istanbul. Und den berühmten Londoner Nebel gibt es eigentlich nur in Edgar-Wallace-Verfilmungen.
ISLAND
Klischee: Die Isländer sind abergläubische Menschen
Die Wahrheit: In Island glaubt man tatsächlich an Elfen und verborgene Wesen und verlegt schon mal Straßen, um die Heimstatt von Fabelwesen zu schützen. Beweise für ihre Existenz gibt es nicht, aber 60 Prozent der Isländer sollen einer Studie zufolge fest an Elfen glauben.