Deutschland - Ungarn Die Einzelkritik der Nationalelf

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Deutschlands Mario Götze (2.v.r.) jubelt mit seinen Teamkollegen Sami Khedira (r) über das Tor zum 1:0.

Foto: Federico Gambarini

Manuel Neuer: Macht Manuel Neuer einen Fehler, dann offenbar nur, um ihn Sekundenbruchteile später phänomenal auszubügeln. Nach einem Dzsudszak-Schuss hielt er an alter Wirkungsstätte in Gelsenkirchen den Ball nicht fest, entnervt mit seiner anschließenden Parade aber Adam Szalai - auch an dessen alter Wirkungsstätte. Ansonsten blieb Neuer beschäftigungslos. Auch in der EM-Vorrunde wird er wohl nur selten gebraucht werden.

Benedikt Höwedes: Begann auf der rechten Abwehrseite, man wird ihn dort auch beim EM-Auftakt erwarten dürfen. Solide, irgendwie schenkt man ja dem Schalker seit der WM 2014 auch als Zuschauer so etwas wie Urvertrauen. Man darf allerdings auch darauf vertrauen, dass Höwedes offensiv eher ausfällt. Ob deshalb bei der EM immer die Viererkette agieren wird, ob die immer notwendig und die beste Wahl sein wird, das halten wir mal für offen.

Antonio Rüdiger: Ersetzt erst einmal Mats Hummels neben Jerome Boateng in der deutschen Innenverteidigung. Und hat gegen Ungarn den Vorteil gehabt, dass es ob deren Offensivschwäche auch kaum eine Chance gab, daran Zweifel zu finden. Allerdings ist sein Stellungsspiel nicht im Ansatz so gut wie das seines, Achtung:, Nachbarn Boateng. Und sein Offensivkopfball vor der Pause war ein kleines Drama.

Jerome Boateng: Ließ sich einige Male während des Spiels behandeln, was einen ja in diesen letzten Tagen vor Turnierbeginn durchaus mal nervös macht. Spielte auch mit einer hautengen langen Sport-Unterhose, oder wie auch immer die Dinger heißen, was ein schicker Gegenentwurf war zur grauen und ausgebeulten Jogginghose des ungarischen Torwarts Kiraly. Ansonsten wird Deutschland auch bei der anstehenden EM in der Abwehr eine Klasse stärker sein, wenn Boateng mitspielen kann. Und wenn es dann diese Hose braucht, dann sei es so.

Jonas Hector: Ist ja eigentlich der einzige Spieler in der DFB-Elf, der so rein nominell gar keine Konkurrenz hat. Auf der linken Abwehrseite ist Hector ziemlich allein. Und weil das ja nun nicht wirklich sein kann, wechselte der Bundestrainer nach der Pause Emre Can für Hector ein. Der Liverpooler stümperte in der Nationalelf bislang meist auf der rechten Seite herum, ist eigentlich eher im Zentrum zu Hause und durfte jetzt noch mal 45 Minuten lang ganz neue Fähigkeiten testen. So richtig entdeckt wurden sie auch gestern nicht. Can bleibt die Allzweckwaffe - erst einmal ohne echten Nachweis, auch als solche gelten zu können. Und Hector? Spielte solide wie fast immer - und bereitete das 1:0 von Mario Götze vor.

Sami Khedira: Schrecksekunden, als er zappelnd am Boden lag, man sah ihn schon abreisen. Dann aber stand er wieder auf und spielte, als sei nichts gewesen. Zur Pause nahm Löw ihn dennoch raus. Khedira hatte bis dahin ein ordentliches Spiel gemacht. Für die EM muss er aber noch zulegen. Und er wird noch zulegen.

Toni Kroos: Meckerte auffällig oft mit dem Schiedsrichter, was bei Kroos ein untrügliches Zeichen ist, dass er gerade nicht an seinem Lieblingsspiel teilnimmt. Fühlt sich offenbar gesetzt und ist es auch, weil Kroos das Zentrum des deutschen Spiels ist. Kaum Fehlpässe, immer nimmt er ein, zwei mehr Gegenspieler aus dem Spiel als andere. Ist Kroos bei der EM in guter Form, wird Deutschland extrem davon profitieren.

Thomas Müller:
Begann engagiert und auch spielerisch ansehnlich, ließ dann aber in Sachen Beteiligung am deutschen Offensivspiel nach. Erzielte trotzdem das 2:0, als Kiraly ihm den Ball mit den Fingerspitzen nach einem Gomez-Kopfball servierte. Dass er so schnell da war, beruhigt irgendwie: Müller wird diese Dynamik brauchen bei dieser EM - kaum jemand hat so viele Spiele in den Knochen wie der Weltmeister vom FC Bayern.

Mesut Özil: War dabei, nicht mehr und nicht weniger. Ließ sich immer wieder tief fallen, um nicht so wahnsinnig viel Laufarbeit bei den Offensivaktionen verrichten zu müssen. Man möchte immer so ein bisschen hinter ihm herlaufen und ihn antreiben. Aber das hielte man ja selbst dann doch auch nicht aus. Steigerungsfähig ist Özil allemal. Es wird spannend sein zu sehen, wie Özil diese Europameisterschaft angeht.

Mario Götze: Schoss - man höre - das erste deutsche Heimtor gegen Ungarn seit 1974. Immerhin drei Spiele gegeneinander hatte es seither gegeben. Götze ist gesetzt für den deutschen Start am kommenden Sonntag in Frankreich. Spielt lustvoll, engagiert und bisweilen so, wie es kein Gegner erwartet - deshalb außergewöhnlich. Sein Pass beim regulären Tor von Draxler, das abgepfiffen wurde, war grandios. Sein Tor eine Belohnung für ein gutes Spiel.

Julian Draxler: Verliert definitiv zu viele Zweikämpfe und Bälle. Seine Nominierung auf der linken Offensivseite kam etwas überraschend, er scheint derzeit die Nase vorn zu haben vor Schürrle und Podolski. Aber es bleibt dabei: Draxler kann von allem etwas, aber kaum etwas herausragend gut. Immerhin hätte sein Tor nach Vorlage von Mario Götze zählen müssen, Schiedsrichter Martin Strömbergsson erkannte allerdings auf Abseits. Später raus für Andre Schürrle.

Lukas Podolski, Leroy Sane, Mario Gomez und Bastian Schweinsteiger dürften auch noch mitspielen, blieben aber bis auf Gomez (siehe oben zum Tor von Müller) ohne Akzente und reihen sich erst einmal ins zweite Glied.