#Euro2016 Die Vergangenheit spielt keine Rolle

Manuel Neuer über das schmerzliche Aus 2012 und die Neuauflage gegen Italien.

Vor vier Jahren musste sich die DFB-Elf den Italienern wieder mal geschlagen geben.

Foto: Andreas Gebert

Evian. Das Aus gegen Italien vor vier Jahren hat auch ihm wehgetan. Aber Manuel Neuer blickt nach vorn. „Die Vergangenheit spielt keine Rolle“, sagt der Welttorwart im Interview mit dieser Zeitung.

Drei Tage vor der Neuauflage des Klassikers im EM-Viertelfinalschlager am Samstag (21 Uhr) in Bordeaux spricht der im Turnier noch ungeschlagene Schlussmann der Fußball-Nationalmannschaft über die schmerzliche 1:2-Niederlage in der Vorschlussrunde 2012 in Warschau, das Verhältnis zu seinem italienischen Kollegen Gianluigi Buffon und die „Squadra Azzurra“.

Herr Neuer, wie schwer ist es, vor dem Spiel gegen Italien die Vergangenheit auszublenden?

Manuel Neuer: Gar nicht schwer. Die Vergangenheit spielt keine Rolle. Wie schon im Pokalfinale mit dem FC Bayern gegen Dortmund: Es ist egal, wie es in der Bundesliga ausgegangen ist. Und jetzt ist es egal, wie wir vor vier Jahren oder zuletzt im Test oder bei den Turnieren zuvor gespielt haben. Die Mannschaften haben sich verändert. Wir alle sind älter, erfahrener geworden. Und wir sind Weltmeister geworden, haben in Brasilien eine positive Turniererfahrung erlebt. Wie spielen aber trotzdem gegen eine starke italienische Mannschaft. Das wissen wir. Sie sind taktisch gut geschult und bei dieser EM — besonders zuletzt gegen Spanien — sehr stark aufgetreten. Ich denke, dass sie grundsätzlich auf jedes Spiel gut vorbereitet sind. Trainer Conte stellt die Mannschaft richtig ein. Wir sind gewarnt. Aber Italien hat sich Deutschland auch nicht als Gegner gewünscht.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie mit dem EM-Halbfinal-Aus 2012 klargekommen sind? Wie weh hat das 1:2 gegen Italien getan?

Neuer: Natürlich sehr weh. Wir Spieler des FC Bayern hatten in dieser Saison einige Niederlagen einstecken müssen, sind Zweiter hinter Dortmund geworden, haben das Pokalfinale verloren, das Champions-League-Endspiel verloren und sind dann im EM-Halbfinale gegen Italien ausgeschieden. Da war der Urlaub nach der Weltmeisterschaft in Brasilien natürlich schöner als der 2012.

Der Bundestrainer hat jetzt hier den Begriff „verzockt“ verwendet. Wie haben Sie das damals als Mannschaft erlebt?

Neuer: Es ehrt ihn natürlich, dass er die Niederlage auf sich nimmt. Aber wir waren die Protagonisten, wir standen auf dem Platz und mussten selbst Entscheidungen treffen. Der Trainer hat das Spiel nicht verloren, sondern wir als Mannschaft.

Ist die deutsche Mannschaft inzwischen als Weltmeister so selbstbewusst, dass sie nicht mehr auf die Italiener reagiert, sondern das eigene Spiel durchzieht?

Neuer: Ja klar, wir wollen unseren Spielstil fortsetzen. Das haben wir bisher in jeder Partie gemacht. Wir wissen, wo unsere Qualitäten liegen. Wir sollten uns nicht so sehr an Italien orientieren, sondern an unserer Stärke.

Aber vor vier Jahren in Warschau wurde es ja so gemacht und die Aufmerksamkeit voll auf Andrea Pirlo gerichtet.

Neuer: Das ist ja auch ein guter Spieler. Natürlich ist es in bestimmten Situationen wichtig, auf die Stärken des Gegners zu reagieren. Das werden wir auch in Zukunft machen. Aber wir versuchen, den Italienern unser Spiel aufzudrängen. Wie jedem Gegner.

Ihr Torwartkollege Gianluigi Buffon hat gerade erklärt, Sie seien besser als er. Was sagen Sie dazu?

Neuer: Das habe ich auch gehört. Wir haben uns schon in der Vergangenheit die Komplimente hin- und hergeschoben. Jeder weiß, was für ein Torwart Gigi ist. Wie gut er auch noch in seinem Alter (38, die Red.) spielt und wie wichtig er für seine Mannschaften ist. Ich glaube aber nicht, dass es am Samstag um die Torleute gehen wird, sondern um Italien gegen Deutschland.

Vielleicht war es ja auch eine Finte, um Sie in Sicherheit zu wiegen?

Neuer (lacht): Er ist natürlich erfahren. Aber das glaube ich nicht. Wir haben ein gutes Verhältnis und uns bei den bisherigen Spielen immer gut verstanden. Das war immer sehr fair. In welcher Sprache haben Sie miteinander gesprochen? Neuer (lacht): Körpersprache. Nein, ich kann ein bisschen italienisch. Gerade so, dass es reicht.

Elfmeter könnten ja am Samstag eine wichtige Rolle spielen. Gibt es da eine spezielle Vorbereitung, sind Sie permanent bei Youtube unterwegs?

Neuer: Nein. Erst einmal hoffen wir, dass es nicht zum Elfmeterschießen kommen wird, sondern wir es vorher unter Dach und Fach bringen. Natürlich muss ich mich vorbereiten, aber ich schaue mir jetzt nicht Youtube-Videos an. Oft ist es auch ein bisschen Bauchgefühl. Dazu kommt die Erfahrung, dass ich schon einige Elfmeterschießen mitgemacht haben. Jeder Schütze entscheidet sowieso immer für sich, was er im letzten Moment macht.

Es gibt also auch keinen Zettel?

Neuer: Nein.

Hat es Sie überrascht, wie offensiv Italien im Achtelfinale gegen Spanien gespielt hat?

Neuer: Wir haben es ja schon im Test in München (4:1 für Deutschland, die Red.) gesehen, dass sie vorn zustellen und versuchen, trotzdem hinten relativ eng zu bleiben. Spanien ist eine spielstarke Mannschaft, hatte aber unter Druck Probleme, seine Angriffe aufzuziehen. Diese Taktik der Italiener ist aufgegangen. Allerdings hat bei ihnen auch in der letzten halben Stunde die Kraft nachgelassen, so dass es den einen oder anderen Fehlpass gab. Es ist kräftezehrend, dieses Pressing über 90 Minuten durchzuhalten.

Ist das ein Punkt, an dem am Samstag anzusetzen ist?

Neuer: Wir werden nicht 60 Minuten warten, um loszulegen. Fakt ist, dass wir nicht den Plan haben, erst einmal das 0:0 zu halten, um dann später zu agieren.

Was halten Sie von den Stürmern Eder und Pelle, das sind keine großen Namen?

Neuer: Sie sind unterschiedliche Spielertypen und machen es sehr gut. Namen spielen keine Rolle. Aber die Namen Boateng und Hummels spielen schon eine Rolle, oder? Neuer: Ich denke, da treffen zwei starke Defensivreihen aufeinander. Es ist oft, dass in solchen Spielen das erste Tor entscheidet. Wir haben uns bisher durch nichts verrückt machen lassen. Auch durch ein 0:0 gegen Polen nicht. Wir wissen, wo wir stehen, glauben an unsere Stärke und sind optimistisch.

Ist Ihre Vorbereitung auf Italien eine andere als beispielsweise gegen die Slowakei?

Neuer: Für mich persönlich nicht. Es ist ein weiteres Finale.