#Euro2016 Neues Bewusstsein für den Fußball

Torjäger — Mario Gomez beschäftigt die Halbfinal-Niederlage 2012 gegen Italien nicht mehr. Sein Ziel ist der Titel.

Mario Gomez hat seine Einstellung zum Fußball verändert.

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Evian. Dieser Mario Gomez ist ein anderer geworden. 30 Jahre ist er inzwischen alt. Wenn man ihn mit dem extrem ehrgeizigen jungen Mann vergleicht, der 2007 mit dem VfB Stuttgart deutscher Meister wurde, hat sich Vieles verändert. Fast alles irgendwie. Nicht nur seine Einstellung zum Leben, auch seine Einstellung zu seinem Beruf. „Ich habe ein neues Bewusstsein für den Fußball bekommen, ich genieße das heute intensiver“, sagt Gomez. Und wenn man ihn dann fast verwundert anschaut, sagt dieser Gomez: „Ich meine das wirklich so.“

Wenn das Finale dieser Europameisterschaft am 10. Juli im Stade de France in Saint-Denis gespielt wird, feiert Mario Gomez seinen 31. Geburtstag. „Ich will Europameister werden. Wie die Jungs in Rio de Janeiro gefeiert haben, so möchte ich in Paris feiern“, sagt Gomez. Aber wenn es nichts wird mit dem Titel, für Mario Gomez würde keine Welt zusammenbrechen.

Wie das ist, weiß Gomez aus leidgeprüfter eigener Erfahrung. Von Mitte 2014 bis Ende 2015 hat er kein Spiel für die Nationalmannschaft bestritten, die Weltmeisterschaft verpasste er, weil er vorher sieben Monate verletzt war. Löw nominierte ihn nicht für Brasilien, weil er der Meinung war, Gomez könne kein Turnier durchstehen. In dieser Zeit hat er sich oft gefragt, ob es mit dieser Karriere überhaupt noch weitergehen kann. Als er nach dem Spiel gegen die Slowakei in der Mixed Zone Fragen beantwortet, sagt er: „Es ist mir egal, ob ich ein Tor geschossen habe. Wenn ich nicht eingesetzt werde, soll derjenige die Tore schießen, der für mich spielt.“ So ein Satz wäre früher undenkbar gewesen.

Gomez traf gegen die Slowakei entscheidend zum 2:0 kurz vor der Halbzeit, vorher gegen Nordirland zum ebenfalls entscheidenden 1:0. Mit den drei Toren von 2012 stehen für Gomez nun fünf Tore bei Europameisterschaften in der Statistik, außer ihm schaffte das nur noch Jürgen Klinsmann. Gomez wirkt austrainierter als jemals zuvor. Bis zum Sommer ist er an Besiktas Istanbul vertraglich gebunden. In der letzten Saison erzielte er 26 Tore, Besiktas wurde auch deshalb türkischer Meister. Beim ausleihenden AC Florenz hat er noch einen Vertrag bis 30. Juni 2017. Wie es weitergeht, weiß er noch nicht. Es belastet ihn aber auch nicht. Es wird schon irgendwie weitergehen.

Jetzt ist erst einmal Europameisterschaft, das erste Turnier nach dem Rücktritt von Mittelstürmer Miroslav Klose. „Es ist großartig, wie das in Frankreich läuft“, sagt Gomez, „und ich bin wieder mittendrin. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich gebraucht werde.“ Der Bundestrainer beobachtete ihn intensiv in der Türkei und entschied sich früh für ihn. Löw ist ein Fan von Gomez: „Er schießt Tore und reißt Lücken, in die andere brauchen.“ Gomez überzeugt den Bundestrainer. „Ich fühle mich die ganze Saison schon sehr gut. Für uns geht es jetzt um das Halbfinale, das ist das alles Entscheidende. Ich sehe unsere Mannschaft auf einem sehr hohen Level. Ich glaube fest daran, dass wir es schaffen.“

Er habe jetzt das ein oder andere Turnier gespielt, sagt er am Mittwoch: „Für die Vorrunde und das Achtelfinale können wir uns nichts kaufen. Nach dem Finale können wir uns hoffentlich wieder unterhalten. Und ich kann dann sagen, es war eine tolle Euro. Jetzt ist es nur eine gute.“ Dass das Alter der Spieler eine Rolle spielt gegen Italien, glaubt Gomez nicht: „Ich bin auch schon alt, aber meine Physis ist sehr gut. So ist das auch bei den Italienern. Ich glaube nicht, dass es eine Frage des Alters ist, dieses Spiel zu gewinnen. Es wird ein unangenehmes, ein spannendes Spiel. Sehr speziell natürlich.“ Trotzdem beschäftigt Gomez nicht mehr, warum das Halbfinale 2012 gegen Italien verloren ging, dass die deutsche Mannschaft noch bei keinem Turnier gegen Italien gewonnen hat. „Das hat keine Bedeutung“, sagt auch Mats Hummels, „man sollte gegen Italien nicht in Rückstand geraten. Ich halte mehr davon, mit einer Führung die Spielstatik Italiens zu verändern.“ Was sich ein wenig kompliziert anhört, wie öfter bei Hummels, ist genau das Rezept. Offensive. „Wenn man es gegen Italien zu defensiv anlegt, könnte man Gefahr laufen, im Mittelfeld die Kontrolle zu verlieren.“

Wie 2012. Den Bundestrainer beschäftigt die Niederlage von damals immer noch. „Das war sehr schmerzhaft, jeder macht Fehler, auch ich. Ich habe meine Lehren aus diesem Spiel gezogen, es war ein sehr wichtiges Spiel für mich“, sagt Löw. Und was ist mit dem vielzitierten Juventus-Block in der italienischen Abwehr? Löw will sich mit Sami Khedira beraten, der kennt den wie kein Zweiter. Mario Gomez sagt: „Der FC Bayern hat doch gezeigt, dass auch der verwundbar ist.“