EM-Freude nach Terror-Angst:Griezmann und seine Schwester

Marseille (dpa) - Die Stunden nach dem Abpfiff der bislang letzten Begegnung mit Weltmeister Deutschland waren für Antoine Griezmann wohl die schrecklichsten seines Lebens. Es war der Abend des 13. November 2015, der grauenvollen Attentate in Paris und vor dem Stadion in Saint-Denis.

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Der Abend, in dessen Verlauf Fußball niemanden mehr interessierte. Der Abend, an dem 130 Menschen von Terroristen getötet wurden. Der Abend, an dem auch Antoine Griezmanns Schwester im Bataclan um ihr Leben fürchtete. „Wenn du dich bewegt hast, wurdest du erschossen“, erzählte Maud Griezmann in der Mittwochausgabe der „New York Times“.

Mit dem Gesicht auf dem Boden und regungslos versuchten Griezmanns Schwester und ihr Freund damals, dem Tod zu entgehen. Sie hätten sich immer wieder die Hände gedrückt - als einzig mögliches Zeichen, dass sie noch leben. 90 Minuten lang. Ihr Bruder litt ein paar Kilometer entfernt in den Katakomben des Stade de France. Der 2:0-Sieg gegen Deutschland wurde nicht mal mehr zu einer Nebensache.

Schon als kleiner Bub kickte er mit seiner drei Jahre älteren Schwester in ihrer Heimat Macôn. Er der Stürmer, sie im Tor. Über die Ereignisse, die die gesamte Grande Nation traumatisierten, hätten sie sich einmal ausführlich unterhalten, erzählte Maud Griezmann der „NYT“.

An diesem Donnerstag wird sie mit der gesamten Familie den Top-Torschützen der Équipe Tricolore im Stade Vélodrome von Marseille im Halbfinale der Heim-EM unterstützen. Zum Finale am Sonntag ins Stade de France wolle sie auch gehen, wenn Frankreich denn gegen den Weltmeister Deutschland gewinnt.

Dorthin also, wo die Terroristen auch Bomben gezündet hatten und Griezmann mit seinen Kollegen bis tief in die Nacht in den Katakomben ausharrte. „Ich danke Gott, dass es meine Schwester rechtzeitig aus dem Bataclan geschafft hat“, twitterte Griezmann erleichtert noch in der Nacht. Die Cousine von Auswahlkollege Lassana Diarra überlebte den Terror nicht. Sie wurde bei einer der Schießereien in Paris an dem Abend getötet. Diarra verpasst die EM, er ist verletzt.

Griezmann ist bereits einer ihrer Stars. Vier Tore in fünf Spielen. 25 Jahre alt, 1,75 Meter groß, Spitzname „Grizi“, dribbelstark, schnell, perfekte Schusstechnik - und auch noch gefährlich mit dem Kopf. Über 60 Spiele hat Griezmann nun schon bestritten seit dem Sommer vergangenen Jahres, noch zu EM-Beginn schien ihn Müdigkeit zu lähmen.

Die Niederlage im Champions-League-Finale mit Atlético Madrid im Stadtderby gegen Real und den verschossenen Elfer in der regulären Spielzeit musste er auch erst noch verarbeiten. Mit ein bisschen Verzögerung begann er dann bei der EM, seine Klasse zu demonstrieren mit dem Treffer zum 1:0 in der 89. Minute des zweiten Gruppenspiels der Franzosen (2:0 gegen Albanien). Das Achtelfinale gegen Irland drehte der bekennende David-Beckham-Fan im Alleingang binnen weniger Minuten die Partie mit einem Doppelpack.

Gegen Island erzielte Griezmann sein EM-Tor Nummer 4. Und nun ruhen die Hoffnungen der Franzosen vor allem auch auf ihm. Seine Tränen nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM gegen Deutschland vor zwei Jahren sind noch nicht vergessen. Sein Treffer gegen Manuel Neuer im Champions-League-Halbfinalspiel von Atlético bei Bayern München ist es auch nicht. Für Griezmann und seine Schwester sollen die schönen Stunden noch lange weitergehen.