Franzosen hoffen auf Ende der Nasri-Affäre
Donezk (dpa) - Bloß keine neue Affäre! Nach dem Ärger über den provokanten Jubel von Samir Nasri versucht Frankreichs Nationalteam die Kontroverse bei der EM im Keim zu ersticken.
Während der Mittelfeldspieler und seine Kollegen in der Hitze von Donezk beim Training schwitzten, bemühte sich Noël Le Graët im Schatten der Bäume um Schadensbegrenzung. „Eine Affäre Nasri, welche Affäre Nasri?“, scherzte der Verbandspräsident und zog am nächsten Tag einen Schlussstrich: „Ich habe nicht daran gedacht, ihn zu bestrafen.“
Man solle die kleine Geste doch vergessen, bat Le Graët zwei Tage vor dem Schlüsselspiel gegen den Co-Gastgeber Ukraine. „Das war eine unpassende Reaktion in einem Moment des Glücks.“ Nasri hatte sich nach seinem Ausgleichstreffer am Montag in der Donbass Arena wütend den Finger über die Lippen gelegt und kritische Journalisten zum Schweigen aufgefordert.
So nachgiebig gibt sich die französische Fußball-Öffentlichkeit angesichts der beschämenden Vorfälle bei der WM 2010 mit einem Trainingsstreik der Spieler um Franck Ribéry allerdings längst nicht mehr. „Die Diva von Kirscha“, überschrieb die Zeitung „La Montagne“ einen Kommentar zu Nasri. „Der "Halt dein Maul"-Jubel ist eine Erinnerung daran, inwiefern Spieler einen Schub aus Kritik erhalten können“, meinte die Sporttageszeitung „L'Équipe“ und titelte „Tief getroffen“.
Nach dem Auslaufen in der Abendhitze am malerischen Kirscha-Trainingsgelände ließ sich Nasri seinen Unmut nicht mehr anmerken. In einer Kühlweste ging er schweigend an den Journalisten vorbei. Es sei „heikel“, wenn seine Mutter in den Medien lesen müsse, dass ihr Sohn „bescheuert“ sei, hatte er den Ausbruch nach dem Spiel erläutert.
Einen weiteren Einblick in das Seelenleben des Profis von Manchester City erlaubte sein Vater. „Er bereut es nicht, aber er gibt zu, dass er ungeschickt war“, sagte Abdelhamid Nasri dem Radiosender RMC Sport. Sein Sohn sei eben sehr motiviert. Aber: „Er repräsentiert sein Land. Das muss er in seinen Kopf bekommen.“
Bislang konnte Nasri seine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Nationalteam zu selten unter Beweis stellen. Zu Beginn der Karriere wurde er wegen seiner algerischen Abstammung, dem gemeinsamen Geburtsort Marseille und der eleganten Spielweise als neuer Zinedine Zidane gehandelt. Doch in 32 Länderspielen reichte es für ihn bislang erst zu vier Vorlagen und vier Toren - darunter immerhin der entscheidende Elfmetertreffer in der Europameisterschafts- Qualifikation gegen Bosnien-Herzegowina. „Samir gehörte immer zu den talentierten Spielern und mit diesen muss man etwas mehr Geduld haben“, sagte Nationaltrainer Laurent Blanc nach dem EM-Auftaktspiel.
Ob sich die nach außen transportierte Gelassenheit im französischen Camp länger aufrechterhalten lässt, hängt maßgeblich vom Erreichen des Viertelfinals ab. Zumindest Präsident Le Graët setzt dafür auf ein Abebben der medialen Aufgeregtheit in der Causa Nasri. „Wenn das die größte Affäre der Euro werden sollte, würde mir das sehr gut passen“, meinte der 70-Jährige und schob in einem AFP-Interview hinterher: „Wir können auch nicht von den Spielern verlangen, kleine Engel zu sein.“