Jubel um Balotelli - Italien aus dem Häuschen
Rom (dpa) - Die Piazza del Popolo in Rom ein Meer jubelnder Menschen, sich überschlagende TV-Kommentatoren und ein Volk, das sich mitten in der Krise gut fühlen kann. Es dauerte etwas, bis nach dem Sieg über die Deutschen die Autokorsos und die Hupkonzerte in Rom einsetzten.
Aber diese Nacht sollte noch lang werden.
Während Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel politisch mit Italiens Regierungschef Mario Monti rang, hatte die „Squadra Azzurra“ das Match in Warschau gemacht. Doch ein kleiner Trost! Die Autohupen wurden schon in der ersten Halbzeit gedrückt, als Mario Balotelli mit dem Doppelpack die Geschichte fortschrieb, dass das große Deutschland bei solchen Turnieren nicht gegen die Azzurri siegen kann. „Löw muss jetzt was tun, was wird er tun?“ So fragten sich die RAI-Kommentatoren. Und am Ende gerieten die sonst doch eher ruhigen Sportberichterstatter noch so richtig aus dem Häuschen: „Was für ein Leiden, was für ein Leiden“, als Mesut Özils Elfmetertor nochmal Druck auf Italien machte. Doch dann kam der erlösende Abpfiff.
Auf der Piazza del Popolo hatten die deutschen Fans und Urlauber beim Public Viewing also wenigstens noch einmal Gelegenheit, unter den Tausenden südländisch feiernden Italienern etwas zu jubeln. Zum diplomatischen Akt geriet der Besuch des deutschen Botschafters in Italien, Michael Gerdts, bei dem Public Viewing - er sah sich eine Halbzeit mit Roms Bürgermeister Gianni Alemanno in der Residenz seiner Botschaft an, die andere mit ihm gemeinsam auf der Piazza.
„Bella Italia“ war an diesem Abend nicht ungeteilt in der Hand der Tifosi. Denn ein derartiges Sportereignis zur Ferienzeit wollten sich auch zahlreiche deutsche Urlauber keineswegs entgehen lassen. Also waren nicht nur an der Adria viele Bars und Pizzerien darauf eingestellt, dass sich Fans aus dem Norden unter die Calcio-begeisterten Italiener mischten. In Rimini und der Umgebung sollte es in den Strandbars und Hotels friedlich zugehen, so kannte man das bereits. Seit Tagen hingen deutsche und italienische Fahnen dort nebeneinander, und im „Summer Village“ von Bellariva di Rimini hatte man sich auf Hunderte deutsche Fans vor den großen Bildschirmen eingestellt.
Auch sonst gab es an diesem Abend nicht nur überschäumende Italien-Fans, die laut mit Prosecco feierten. Im Vatikan bangte Georg Gänswein, päpstlicher Privatsekretär, mit der Löw-Truppe, während Benedikt XVI. neutral gemeint hatte, die bessere Mannschaft möge gewinnen, wie Sprecher Federico Lombardi verriet. Und in Bozen machte Luis Durnwalder, der Landeshauptmann im zweisprachigen Südtirol, klar: Er drückte Löw die Daumen - auch wenn er für viele italienische Spieler, die er persönlich kennt, Sympathien empfindet.
Und manche streikten, während - oder weil - ihre Azzurri in Warschau um den Einzug ins EM-Finale kämpften: Italiens führender Autobauer Fiat beklagte, dass die Gewerkschaft eines Werkes einen vierstündigen Ausstand genau rund um dieses Match gelegt hatte, „da ihnen ein Fußballspiel zu sehen wichtiger war als ihre Arbeit“.