Bittere Niederlage für Löw: Weiter ungekrönt
Warschau (dpa) - Diese Niederlage wird Joachim Löw noch lange beschäftigen. Bis zu dem bitteren Abend im Nationalstadion von Warschau hatte der Bundestrainer mit allen taktischen Um- und Aufstellungen und überraschenden Wechseln immer goldrichtig gelegen.
Doch ausgerechnet im wichtigsten Spiel, ausgerechnet im Halbfinal-Klassiker gegen Angstgegner Italien ging Löws Matchplan nicht auf. Das 1:2 (0:2) zerstörte die deutschen EURO-Titelträume - und Löws Aura als EM-Magier.
„Die Enttäuschung ist für alle groß. Man sollte nicht den Fehler machen, alles zu hinterfragen“, sagte Löw kurz nach dem Halbfinal-Aus. „Wenn man in der ersten Halbzeit zwei Gegentore kriegt, dann wird es schwer.“ Trotzdem habe die Mannschaft ein großes Herz gezeigt.
„Wir vertrauen dem Trainer fast schon blind. Alles, was er macht, hat Hand und Fuß“, hatte zuletzt Sami Khedira über den Fußball-Bundestrainer gesagt. „Wenn das Wort Guru positiv belegt ist, kann man das vielleicht so stehen lassen“, antwortete Thomas Müller auf die Frage, ob Löw ein Guru sei. Auch gegen die Italiener hatte der 52-Jährige wieder eine Aufstellungs-Überraschung parat.
Toni Kroos durfte erstmals bei der EM in Polen und der Ukraine von Beginn an auflaufen. Im Sturm setzte der Bundestrainer wieder auf den Dreifach-Torschützen Mario Gomez anstelle des spielstärkeren Miroslav Klose.
„Es könnte spielentscheidend sein, den Italienern unseren Rhythmus des Spiels aufzuzwingen“, hatte ein selbstbewusster Löw noch am Vorabend gesagt. Doch davon war in der ersten Halbzeit von Warschau nichts zu sehen - Löw orientierte seinen Plan mehr an den Italienern als an den eigenen Stärken.
Mit Kroos wollte Löw das Spielzentrum verstärken und vor allem die Kreise von Dirigent und Taktgeber Andrea Pirlo einengen. Dafür wurde die rechte Mittelfeldseite vernachlässigt - was prompt zu den Gegentoren führte. Beide Treffer von Mario Balotelli (20./36. Minute) bereiteten die Italiener über ihre linke Angriffsseite vor.
Zur Halbzeit korrigierte Löw seine Taktik. Die glücklosen Gomez und Lukas Podolski mussten raus, Klose und der beim 4:2 gegen Griechenland stark aufspielende Marco Reus sollten die Wende herbeiführen. Gegen die biederen Griechen war Löws mutige Überfall-Taktik mit gleich drei Offensiv-Wechseln aufgegangen.
Auch diesmal wurde das deutsche Spiel nach dem Wechsel sofort lebhafter, kreativer und gefährlicher. Vor allem Reus machte Dampf und agierte genauso wie Löw es gefordert hatte: mutig und frech. In der 62. Minute prüfte er Gianluigi Buffon mit einem Freistoß-Kracher, den Italiens Torwart-Routinier gerade noch an die Latte lenkte. Mesut Özil (90.+2) traf nur noch per Handelfmeter.
Die Hände in die Hüften gestemmt, verfolgte Löw das Geschehen immer öfter stehend vor seiner Trainerbank. Erst als die Partie schon fast verloren und das Italien-Trauma wieder nicht überwunden war, stemmten sich seine Spieler gegen die Niederlage. Zu spät.