Kroaten zwischen Schock und Spanien-Spiel
Bordeaux (dpa) - Am Montag stieg Kroatiens Nationalteam in den Flieger nach Bordeaux, nur ob die Mannschaft am Dienstag bei ihrem entscheiden Gruppenspiel gegen Titelverteidiger Spanien überhaupt noch mitspielen darf, wird sie wahrscheinlich erst am Vorabend erfahren.
Die Disziplinarkommission der UEFA wird nach eigenen Angaben erst am späten Nachmittag des 21. Juni bekanntgeben, wie hart die Strafe für die Ausschreitungen kroatischer Fans während des vorangegangen Spiels gegen Tschechien (2:2) ausfallen wird. Ein Ausschluss dieses Geheimfavoriten von der Fußball-EM ist eher nicht zu erwarten, aber trotzdem haben einige Spieler genau davor noch immer Angst.
„Ich hoffe, dass wir spielen. Aber alles, was jetzt noch passiert, liegt nicht in unserer Hand“, sagte Spielmacher Ivan Rakitic vom spanischen Meister FC Barcelona. Er hoffe auch, „dass die UEFA eines versteht: Wir möchten unseren Traum weiterleben. Und das ist, am Dienstag zu spielen und danach in die nächste Runde einzuziehen.“
Die Aussage zeigt, wie tief der Schock auch bei den Spielern nach den Vorfällen vom Freitagabend sitzt. Denn selbst wenn sie wie erwartet in Frankreich bleiben dürfen, ist die große Frage: Werden sie bei dieser EM noch einmal so leichtfüßig und selbstsicher aufspielen können wie bis zu jener ominösen 86. Minute des Tschechien-Spiels?
Bis dahin waren die Kroaten eines der größten Versprechen des Turniers. Angriffslustig, kombinationssicher, neben dem nächsten Gegner Spanien vielleicht sogar das vorläufig spielstärkste Team der EM. Doch dann kamen binnen kurzer Zeit die Verletzung ihres besten Spielers Luka Modric, die Randale auf der Tribüne, die Unterbrechung des Spiels und der 2:2-Ausgleich für Tschechien. Was für ein Schock.
Trainer Ante Cacic behauptet trotzdem: „Sie werden uns nicht stoppen und sie werden unseren Traum nicht zerstören. Wir werden dadurch noch stärker werden.“ Mit „Sie“ meinte der 62-Jährige die randalierenden Fans. Über sein Team sagte er noch: „Unsere Spieler wissen genau: Wir sind stark. Wir haben noch nie in den letzten Jahren in einer besseren Atmosphäre gearbeitet. Die Spieler sind nicht frustriert.“
Kroatiens Hoffnung ist, dass diese Spieler sich tatsächlich auf einer Art Mission sehen. Manchmal, wenn in nur einem Sommer alle Faktoren zusammenpassen, dann kann auch ein kleines Land einmal einen großen Titel gewinnen. Wenn sich eine Generation herausragender Spieler untereinander sehr gut versteht und dafür auch noch genau das richtige Alter hat. Rakitic ist jetzt 28, Luka Modric und Mario Mandzukic sind schon 30. „Wir leben für eine solche Gelegenheit bei diesem Turnier“, sagte Rakitic. Bei der Weltmeisterschaft in zwei Jahren in Russland kann es für diese Generation schon zu spät sein.
Nun aber erst einmal das Spanien-Spiel, was jenseits des UEFA-Urteils allein deshalb interessant ist, weil beide Gruppensieger werden wollen, um Italien im Achtelfinale aus dem Weg zu gehen. „Spanien ist vielleicht die kompletteste Mannschaft der Welt“, sagte Rakitic. „Aber ich bin mir sicher: Sie denken auch ein wenig über uns nach.“
Er selbst und Modric spielen mit den spanischen Stars beim FC Barcelona beziehungsweise Real Madrid zusammen. Nach Lage der Dinge soll aber Modric am Dienstag wegen muskulärer Probleme geschont werden. Niemand sonst können die Kroaten schwerer ersetzen, auch wenn ihr Kader gerade im Mittelfeld noch einige Alternativen hergibt. Modric' Part soll Rakitic selbst übernehmen, der dafür die Zehner-Position räumt. Dafür kommen dann entweder das nächste Riesentalent (Ante Coric) oder ein weiterer Spieler von Real Madrid (Mateo Kovacic) infrage.