Lieber die Toten Hosen: EM-Songs dudeln am Fan vorbei
Berlin (dpa) - Früher sangen Fußballspieler noch selbst. Mittlerweile liefern zu großen Turnieren massenhaft Gesangsprofis Fußballhymnen und Partysongs ab. Leider treffen sie dabei eher selten den Ton der Fans, wie die Lieder zur EM beweisen.
Der wohl coolste Fußballsong in diesem EM-Sommer kommt von der ukrainischen Kombo Los Colorados. „I Like To Move It“ - eine aufgemotzte Polkaversion des 90er-Jahre-Dance-Hits mit viel Bum-Bum und unüberhörbar osteuropäischem Akzent - wird bei jeder ZDF-Übertragung dutzendfach angespielt und bohrt sich so ins Ohr. Ähnlich wie die Linkin-Park-Single „Burn It Down“, die die Bilder des Tages untermalt. Einen Stadionkracher oder eine Fanmeilen-Mitgrölhymne hat die Europameisterschaft in den ersten Tagen aber noch nicht gebracht. Dabei gibt es EM-Songs, -Hymnen und -Spaßlieder zuhauf, offizielle wie inoffizielle.
Einen Charts-Erfolg landete die Hamburger Sängerin Oceana: Mit ihrem jamaikanisch angehauchten Gute-Laune-Song „Endless Summer“ ging es rauf bis auf Platz 13 - Tendenz steigend. Das Lied passt mit seinem Dance-Beat auch ganz gut zu Strandpartys an Elbe und Spree, aber auf der Meile vor dem Brandenburger Tor kommt das schnelle „Oh, oh, oh, oh, oh“ und „yeah-eh-eh-eh-ay“ den Fans doch eher stockend über die Lippen. Ihren ganz großen Auftritt hat Oceana noch vor sich: Beim Endspiel in Kiew wird sie am 1. Juli den EM-Song der UEFA vor einem Millionenpublikum präsentieren.
Offiziell unterwegs ist auch Roger Cicero, der bislang nicht unbedingt als Fußballenthusiast bekannt war. „Für nichts auf dieser Welt“ ist der Fan-Song des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der voll am Fan vorbeigeht. Eine Swing-Nummer mit leise-nachdenklichen Passagen als Fan-Song? Mal ehrlich... Da war Xavier Naidoos „Dieser Weg“ schon ein anderes Kaliber. Der wurde 2006 bei der WM aber auch von der Nationalelf inoffiziell zur Hymne erkoren, nicht von den Funktionären.
Eine ähnliche Qualität hat „Alle Mann“ von Rapper Azad und Soulsänger J-Luv: Die beiden bringen nicht nur Herz, Beat und emotionalen Text mit, sondern auch internationales Flair - Azad hat kurdische Wurzeln, sein Duettpartner Julian Williams amerikanische. Keine Hymne zum Mitsingen, aber ein Gänsehautsong für nach dem Spiel.
„Football Is My Life“ singt ausgerechnet ein Duo aus Österreich und Jamaika - beides keine Fußballmächte. Dafür bringen „Mr. Boombastic“ Shaggy und Popmusiker Leo Aberer nach eigener Aussage ordentlich Leidenschaft für den Fußball mit. Ihr Song sei eine „Liebeserklärung an die kultige Ballsportart“, heißt es im Pressetext zum Song - wer so formuliert, will wohl von der eher durchschnittlichen Qualität der Pop-Komposition ablenken.
Im Co-Gastgeberland hat es ein Lied schon in die Herzen der Fans geschafft: Das folkloristisch angehauchte „Koko Koko Euro spoko“, der Song der polnischen Elf, ist in den Stadien, in Fanzonen und auf den Straßen ständig zu hören. Dabei sehen die nicht mehr ganz so jungen Sängerinnen der ostpolnischen Volksgruppe Jarzebina in ihren Trachten mit den weißen Hauben so gar nicht nach Fußballparty aus.
Wer das skurril findet, der sollte die Hamburger Taxifahrer Lovely & Monty mit ihrer Bollywood-inspirierten Nummer „Oh Germany We Love You“ anschauen: Platz eins in der Rangliste der EM-Kuriositäten, dicht gefolgt von Komiker Matze Knop und ARD-Moderator Waldemar Hartmann, die in den verschiedensten Verkleidungen die „bild.de“-EM-Hymne „Die Besten in Europa“ schmettern. Aber die sind wenigstens freiwillig komisch, anders als Florian Silbereisen: Mit dem Max-Raabe-Song „Schieß den Ball ins Tor“ trifft der Entertainer weder den Geschmack noch das Netz.
Am ehesten wird 2012 also wohl wieder ein Nicht-Fußball-Song zur Fan-Hymne: „Tage wie diese“, Nummer-eins-Hit der Toten Hosen, hat schon bei der Dortmunder Meisterfeier herhalten müssen - und kommt nun, besonders nach Siegen der deutschen Elf, bei den ARD-Übertragungen, auf Fanfesten und Fußballpartys extrem gut.