Mit Hilfe der Fans: Außenseiter Irland will überraschen
Versailles/Lyon (dpa) - Natürlich gehen die Franzosen als großer Favorit in das Achtelfinale gegen Irland. Die durch das Henry-Handspiel fußball-historisch vorbelastete Partie beschäftigt seit Tagen die Gastgeber-Nation.
Doch die Iren wittern durchaus ihre Chance. Ein Blick auf die bisherige EM der Boys in Green:
DER TURNIERVERLAUF: Erst zum dritten Mal überhaupt sind die Iren bei einer Europameisterschaft dabei. In der EM-Qualifikation erwies sich die Mannschaft als unangenehmer Gegner für die Deutschen und holte vier Punkte gegen die DFB-Auswahl. Das erste Gruppenspiel gegen Schweden endete unglücklich 1:1, im zweiten setzte es eine 0:3-Niederlage gegen Belgien. Im dritten und entscheidenden gelang den Boys in Green dann ein 1:0-Erfolg gegen eine B-Elf Italiens.
DIE TRAINER: Cheftrainer Martin O'Neill und Assistenzcoach Roy Keane bilden ein bemerkenswertes, weil ungleiches Duo. Keane kann auch heute noch - wie damals als Spieler - aufbrausend werden. Vor dem Spiel gegen Italien sagte der einstige Rüpel, man brauche „Eier“. Nach einer Niederlage gegen Weißrussland in der Vorbereitung sprach er davon, „einige Spieler umbringen“ zu wollen. O'Neill dagegen ist ein bedächtiger Fachmann und hochrespektiert bei seinen Profis.
DIE MANNSCHAFT: Die Iren stellen die älteste EM-Mannschaft. Fünf Profis aus dem aktuellen Aufgebot waren auch im November 2009 beim Playoff-Rückspiel gegen Frankreich dabei, als Thierry Henry den Ball vor dem Tor der Franzosen zweimal mit der Hand berührte. Der einzige Star im Team ist der mittlerweile 35 Jahre alte Robbie Keane. Doch der Angreifer von Los Angeles Galaxy zählt nicht mehr zur ersten Elf. Auf sich aufmerksam machten vor allem der quirlige Offensivspieler Wes Hoolahan und der Torschütze zum 1:0 gegen Italien, Robbie Brady.
DIE MEINUNGEN: Der für die motivierenden Ansprachen in der Öffentlichkeit zuständige Co-Trainer Roy Keane sprach von einer „großartigen Gelegenheit“. Auch der künftige Bayern-Trainer Carlo Ancelotti traut den Iren einen Coup zu. „Martin O'Neills Team hat gegen Italien sehr gut gespielt. Es ist eine EM der Überraschungen“, schrieb der Italiener in seiner Kolumne für die englische Tageszeitung „The Telegraph“. „Ich weiß, dass sie gegen Frankreich spielen müssen, aber ich würde die Iren noch nicht abschreiben.“
HISTORIE: Vieles ist geschrieben und gesagt worden über Revanche oder nicht Revanche. Die Erinnerungen an das WM-Qualifikationsspiel und das irreguläre Tor der Franzosen ist natürlich präsent. „Sie haben es nicht vergessen“, fürchtet der damalige Torschütze William Gallas. „Natürlich wird darüber gesprochen, aber ich glaube nicht, dass es uns beeinflussen wird, wenn wir spielen“, sagt Martin O'Neill. „Wie lange ist es her? Sieben Jahre. Es muss weitergehen“, sagte Routinier Robbie Keane. „Ich werde nicht eine Sekunde daran denken.“
DIE FANS: Die sangesfreudigen Anhänger der Iren sind schon titelreif. „Wir hatten das Gefühl, dass wir auch unseren Fans etwas schuldig waren“, sagte Co-Trainer Roy Keane nach dem emotionalen Sieg gegen Italien. Fast täglich taucht im Internet ein neues Video von einer weiteren Charme-Offensive der Iren auf. Sie singen und tanzen für eine Nonne, für eine junge Französin, für ein Baby, sogar für die Polizei und gegnerische Fans. Am Wortspiel der „irren Iren“ kommen viele Medien nicht vorbei. „Das irische Publikum hat die EM schon gewonnen“, schrieb die französische Zeitung „Le Parisien“.