Englands Elfmeter-Trauma: Storys, Zitate und Statistiken
Chantilly (dpa) - Mit der K.o.-Runde beginnt in England traditionell auch die Panik vor dem Elfmeterschießen. Sechs von sieben Mal scheiterten die Three Lions bei großen Turnieren schon im ultimativen Showdown.
So unkt selbst Coach Roy Hodgson vor dem EM-Achtelfinale gegen Island am Montag (21.00 Uhr) in Nizza: „Elfmeter im Training und Elfmeter vor vielen Leuten sind verschiedene Dinge, das wissen wir in England.“ Die besten Storys, Zitate und Statistiken rund um Englands Fußball-Trauma.
HISTORIE:
QUOTE: In Elfmeterschießen trifft England 23 von 35 Versuchen, gerade einmal knapp 66 Prozent. Die Gegner versenken 29 von 36 Schüssen - gut 80 Prozent.
DIE UNGLÜCKLICHEN ZWÖLF: Die Namen der zwölf Fehlschützen sind ins kollektive englische Fußball-Gedächtnis eingebrannt. „Ich muss es mir immer noch jede Woche anhören“, sagt Chris Waddle, der 1990 im Halbfinale beim WM-Aus gegen Deutschland den letzten Elfer verschießt. In einer Pizza-Werbung machen sich Waddle und Stuart Pearce (WM 1990) sowie Gareth Southgate (EM 1996), der dabei mit einer Papiertüte über dem Kopf im Restaurant sitzt, über sich selbst lustig.
RATSCHLAG I: Ex-Kapitän Alan Shearer trifft für England sechs von sieben Strafstößen im Spiel und behält dreimal im Elfmeterschießen die Nerven. Dabei verfolgt der Stürmer schon am Vorabend eine ausgeklügelte Taktik. „Wenn wir vor Länderspielen trainiert haben, wusste ich, dass ein Spion des anderen Teams irgendwo von der Tribüne zusah“, erzählte Shearer im Buch „Fifty Years of Hurt“ von Henry Winter. „Deshalb habe ich immer zehn Elfmeter in die andere Ecke als am nächsten Tag beim Spiel geschossen.“
RATSCHLAG II: Der letzte (und einzige) Torwart, der ein Elfmeterschießen für England gewonnen hat, setzte auf Psychologie statt Vorbereitung. „Ich habe nie vorher Videos angeschaut“, sagt David Seaman, Keeper bei der EM 1996. „Ich habe in jedem Interview vor dem Spiel erzählt, dass ich eine besondere Technik für Elfmeter habe, damit ich in den Kopf des Schützen komme.“ Hilft beim Heimturnier im Viertelfinale gegen Spanien, aber nicht im Halbfinale - alle sechs deutschen Versuche sitzen.
ZITAT: „Wir sind besessen von Elfmetern, weil wir immer verlieren. Es ist eine mentale Blockade geworden. Es ist verdammt nervend. (...) Unter diesem extremen Druck ist es umso wahrscheinlicher zu treffen, je besser deine Technik ist. Dann bekommst du Eier aus Stahl.“
(Der frühere Stürmer Gary Lineker)
JUGENDLICHE PRÄGUNG: Um seine Spieler frühzeitig an die Szenerie zu gewöhnen, geht der Verband inzwischen ungewöhnliche Wege. Bei einem U16-Turnier gewinnt England gegen Frankreich mit 3:1 - und lässt trotzdem ein Elfmeterschießen ausspielen. Bei einem Freundschaftskick der U20 gegen Mexiko vereinbart die FA vergangenes Jahr schon vorher diesen Showdown und animiert die Fans vorab Lärm zu machen, um die Drucksituation zu simulieren. Das Spiel endet sogar 1:1 - und England gewinnt das Elfmeterschießen 4:2. Es gibt also noch Hoffnung.
HOFFNUNGSTRÄGER I: Acht Spieler des aktuellen Kaders Englands gelten als wahrscheinlichste Kandidaten für die ersten Elfmeter. Dabei kommen die meisten einer Berechnung der „Times“ zufolge auf bislang ordentliche Quoten in ihrer Karriere: Wayne Rooney (42 Schüsse/33 Treffer/79 Prozent), James Milner (11/9/82 Prozent), Harry Kane (10/8/80 Prozent), Jamie Vardy (7/6/86 Prozent), Adam Lallana (7/5/71 Prozent). Dele Alli, Eric Dier und Daniel Sturridge haben bislang noch keine Elfmeter geschossen.
HOFFNUNGSTRÄGER II: Wenn nichts mehr geht, kann auch Joe Hart antreten. Der Torwart versenkt seinen Versuch beim Elfmeterschießen im U21-EM Halbfinale 2009 gegen Schweden und verblüfft bei einem Freundschaftsturnier für Manchester City mit einem Schuss in den Winkel. „Ich bin sehr zuversichtlich“, sagte Hart während der EM über seine Elfmeter. „Aber ich bin auch sehr sicher, dass neun, vielleicht zehn technisch bessere Spieler auf dem Feld stehen werden.“