Belgiens Hochbegabte gegen Ungarns Unerwünschte
Toulouse (dpa) - Die Belgier sind bei der Fußball-EM immer für ein bisschen Aufregung gut - auch vor dem Achtelfinale gegen Ungarn. Einen Tag vor der Abreise nach Toulouse sorgte Radja Nainggolan für Aufsehen, weil sein Trainer Marc Wilmots gestehen musste: „Ja, Radja raucht.“
Der Spieler mit dem Irokesen-Haarschnitt wird seinem Laster wohl auch vor der Begegnung am Sonntag (21.00 Uhr) gegen Ungarn frönen, doch das ist dem sonst so strengen Wilmots unter einer Bedingung egal: „Wenn er es braucht, werde ich ihn nicht daran hindern. Wichtig ist, dass er weiterhin seine Leistung auf dem Rasen bringt.“
Beim 1:0-Sieg gegen Schweden war der „Ninja“ genannte Spieler vom AS Rom gut und schoss den einzigen Treffer. Dem defensiv spielenden Mittelfeldmann Nainggolan gelang damit, was von anderen erwartet wurde. Kevin De Bruyne und Eden Hazard, die Begabtesten unter den vielen belgischen Talenten, kommen nur mühsam in Form.
„Natürlich geht es immer besser“, sagte Hazard, der von den belgischen Medien früh kritisiert wurde. Er habe in seinen Augen „nicht schlecht gespielt. Das gilt auch für Kevin De Bruyne.“ Nur wird halt von besonders talentierten Spielern besonders viel verlangt. De Bruyne und Hazard wurden diesen Ansprüchen auch im letzten Gruppenspiel gegen das schwedische Abwehrbollwerk nur unzureichend gerecht. Ihre Klasse blitzte nur einige Male auf.
Hazard und De Bruyne betonen, dass sie sich keineswegs als Stars sehen. „Ich denke vielmehr, dass es die Medien sind, die mich dazu machen wollen. Der Star, das bin nicht ich, sondern die Mannschaft“, sagte Hazard stellvertretend. Dennoch: Falls die als Goldene Generation bezeichneten Hazard, De Bruyne & Co. gegen die vermeintlich leicht zu schlagenden Ungarn scheitern, dann wird die Kritik an den besonders Hochbegabten wieder am größten sein.
Mit Lob überhäuft wurden hingegen einige ungarische Spieler, die vor dem EM eher belächelt wurden. Dazu gehört ein Trio, das in der Bundesliga zuletzt unerwünscht war und im Gegensatz zu den Belgiern nicht als hochbegabt gilt. „Natürlich haben sie sensationell gute Spieler“, sagte Laszlo Kleinheisler, der bei Werder Bremen in der Rückrunde auf der Bank versauerte.
Bei der EM in Frankreich dagegen überzeugte Kleinheisler bisher ebenso wie der in Hoffenheim und Hannover nicht mehr erwünschte Adam Szalai und Zoltan Stieber (HSV/Nürnberg). Nun wollen die Ungarn auch die Belgier überraschen.
Kleinheisler hat angekündigt, dass die Mannschaft „mit Sicherheit auch noch Elfmeterschießen üben“ werde. In Ehrfurcht erstarrt ist der Außenseiter jedenfalls noch nicht. Beim Training am Freitagabend im EM-Quartier in Tourrettes ging es zumindest anfangs recht locker und gelöst zu. Bei Sprint- und Aufwärmübungen wurde viel gescherzt.
Vor dem 5-gegen-2-Spielchen rief Co-Trainer Andreas Möller dem 40 Jahre alten Torhüter Gabor Kiraly quer über den Platz zu, er solle auch dazukommen. „Wir brauchen jemanden, der das Niveau hebt“, feixte Möller. Kiraly trug übrigens auch im Training bei Temperaturen von 35 Grad seine lange graue Jogginghose. „So gentlemen, let the ball run“, forderte Trainer Bernd Storck auf. Das soll auch am Sonntag gelingen.