Frankreichs Rendezvous mit Irland

Lyon (dpa) - Aus dem PlayStation-Duell mit Irland ist nichts geworden. Für Frankreichs gefühlten Kapitän Patrice Evra und seine Teamkollegen steht beim brisanten Wiedersehen mit den Iren nach sechseinhalb Jahren umso mehr auf dem Spiel.

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Selbst wenn Evra keiner ist, der nach hinten schaut. „Ich habe keine Lust, mein Leben mit Bedauern und Besorgnis zu verbringen“, sagt der Routinier vor dem Achtelfinale bei der Fußball-EM.

Er war 2009 wie fünf weitere aus dem aktuellen EM-Kader der Franzosen schon dabei beim Skandalspiel, über das nun wieder alle reden. Er jubelte mit, als Fußball-Frankreich mit dem ganzen Stolz der Grande Nation die Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika feierte. Er war es, der damals nach den Forderungen der Iren wegen des klaren Handspiels von Thierry Henry vor dem alles entscheidenden 1:1 im Rückspiel (Hinspiel 1:0 für Frankreich) zynisch ein Duell auf der PlayStation vorschlug.

Evra ist mittlerweile 35 Jahre alt. Er ist der Doyen der französischen Nationalmannschaft. Im Vereinsfußball hat Evra praktisch alles gewonnen. Mit der Équipe Tricolore noch nichts. Die EM im eigenen Land ist Evras fünftes großes Turnier.

Sein erstes Länderspiel bestritt er am 18. August 2004. Gegen die Iren wird Evra an diesem Sonntag im Stade du Lyon Einsatz Nummer 77 bestreiten. Es ist davon auszugehen, dass Trainer Didier Deschamps auf seinen Haudegen nicht verzichten wird.

Allerdings führt Evra die Mannschaft schon lange nicht mehr als Kapitän aufs Feld. Zum 55. Mal wird das Hugo Lloris übernehmen. Der 29 Jahre alte Keeper, der ebenfalls schon beim Skandalspiel auf dem Feld stand, wird damit alleiniger Rekordhalter. Am vergangenen Sonntag hatte er die zuvor von Deschamps gehaltene Bestmarke beim 0:0 gegen die Schweiz bereits eingestellt.

Unter dem mittlerweile 47 Jahre alten Deschamps, der sowohl 1998 die WM- als auch zwei Jahre später die EM-Trophäe als Erster entgegennehmen durfte, hat Evra als (offizieller) Mannschaftsführer ausgedient. Zu schwer wiegen die Vorkommnisse bei jener WM in Südafrika, für die sich die Franzosen auf so verdorbene Weise qualifiziert hatten.

Evra galt neben Franck Ribéry als einer der Rädelsführer des Aufstandes der sportlich verheerend auftretenden Mannschaft. Lloris soll sich damaligen Berichten indes gegen den Trainingsboykott ausgesprochen haben. Es wurde aber gestreikt. Evra wurde nach der WM wie unter anderem auch Ribéry für fünf Spiele vom Verband gesperrt.

„Knysna hat Narben hinterlassen“, gab Evra jüngst in einem Interview der Zeitung „Le Parisien“ mit Blick auf die Ereignisse im Teamquartier in Südafrika zu. Aber es sei Zeitverschwendung, heute darüber zu sprechen, meinte er.

Evra ist streitbar. Er will es sein. Er will der Rammbock sein, hinter dem sich die Generation um seinen Juventus-Turin-Kollegen Paul Pogba entwickeln und entfalten kann. Auch gegen die Iren. Erst recht, weil das Duell auf französischem Boden und nicht vor der PlayStation stattfindet.