Mit Mut und Schweinsteiger - „Gegen ein ganzes Land“
Marseille (dpa) - Große Hitze, großer Gegner - großes Spiel? Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kämpft am Abend (21.00 Uhr) in Marseille gegen Gastgeber Frankreich um den Einzug ins EM-Finale.
Der Gegner von Portugal mit Weltfußballer Cristiano Ronaldo am Sonntag in Paris wird gesucht. Und Bundestrainer Joachim Löw erwartet fünf Tage nach dem Kraftakt gegen Italien eine extrem schwierige und bei angesagten Temperaturen um die 30 Grad auch hitzige Aufgabe.
„Wir spielen nicht nur gegen eine Mannschaft, sondern wir spielen gegen ein ganzes Land“, sagte Löw pathetisch: „Frankreich hat mit dem Sieg gegen Island sehr viel Selbstbewusstsein getankt. Die Euphorie und die Kraft ist übergesprungen auf die Mannschaft und die ganze Nation.“ Gerade im Stade Vélodrome erfährt die Équipe Tricolore in Länderspielen eine besonders intensive Unterstützung ihrer Fans.
AUSGANGSLAGE: Die deutschen Weltmeister gehen trotz erheblicher Personalsorgen entschlossen ins Halbfinale. „Fürchten tun wir uns definitiv nicht“, verkündete Toni Kroos. „Ich glaube, wir werden der härteste Gegner sein, den Frankreich in diesem Turnier bislang hatte“, erklärte auch Löw sehr selbstbewusst in Marseille. Das Halbfinale soll nicht zur Endstation werden. „Wir werden alles daran setzen, dass wir das Finale erreichen“, versprach Löw. Der 56-Jährige erwartet ein „ähnliches Spiel“ wie 2014 bei der WM in Brasilien, als Deutschland im Viertelfinale nach einem frühen Tor von Mats Hummels in Rio de Janeiro mit 1:0 gewinnen konnte.
GEFAHR: Das Prunkstück der französischen Mannschaft ist die Offensive. „Frankreich kann sehr flexibel und druckvoll agieren“, schilderte Löw: „Und Frankreich hat die beste Chancenverwertung.“ Antoine Griezmann (4 Tore), Dimitri Payet (3) und Olivier Giroud (3) sind brandgefährlich. „Ich denke mal, dass die Franzosen mit aller Wucht und Physis nach vorne spielen werden. Die Offensive war bislang ihre Stärke“, spekulierte Löw. Dagegen müsse mit Geschlossenheit verteidigt werden. Keine Räume dürften dem Gegner gelassen werden. „Sonst wird es für uns schwierig“, mahnte der Bundestrainer.
SCHLÜSSELFIGUR: Bei Bastian Schweinsteiger verzichtete Löw auf einen Aufstellungspoker. Der Bundestrainer gab frühzeitig Grünes Licht beim Kapitän. Die Knieblessur sei „so gut wie auskuriert“, berichtete Löw nach der Ankunft der deutschen Mannschaft in Marseille. Der 31 Jahre als Routinier wird für den verletzten Sami Khedira ins Mittelfeld an die Seite von Toni Kroos rücken. „Bastian ist für unsere Mannschaft schon sehr wichtig. Gerade in einem Spiel in so einem Hexenkessel ist seine Erfahrung immens viel wert. Er wird auf jeden Fall beginnen“, sagte Löw, der neben Khedira auch Mario Gomez (Muskelfaserriss) und Hummels (Gelb-Sperre) ersetzen muss. „Das ist nicht so einfach. Von daher ist es wichtig, das so ein erfahrener Spieler wie der Bastian beginnt“, erläuterte Löw: „Wenn seine Kräfte nicht reichen sollten, haben wir noch viele Möglichkeiten zu wechseln.“
RÜCKHALT: Aus dem Spiel heraus ist Manuel Neuer bei der EM noch nicht bezwungen worden. Das einzige Gegentor im Viertelfinale gegen Italien fiel durch einen Handelfmeter. Jetzt kommt der Zehn-Tore-Sturm mit Griezmann, Giroud und Payet auf den Welttorhüter und die deutsche Defensive um Abwehrchef Jérôme Boateng zu. Neuers Mahnung an seine Vorderleute lautet: „Wir müssen gut stehen und dürfen unsere Ordnung nicht verlieren.“ Ob Löw wieder die Dreierkette wählt oder zur Vier-Mann-Abwehrreihe zurückkehrt, ist offen. „Wir werden die richtige Formation wählen“, versicherte Torhüter Neuer.
HEIMVORTEIL: Der Gastgeber setzt auch auf seine Fans. Die Mehrzahl der über 60 000 Zuschauer im Stade Vélodrome wird Griezmann und Co. anfeuern. „Wir werden die Unterstützung der Zuschauer brauchen. Es wird schwierige Momente geben“, sagte Trainer Didier Deschamps. Das Publikum soll das Team Richtung Endspiel tragen. „Ich hoffe, dass die Fans uns helfen, das letzte Quäntchen rauszuholen“, sagte Torwart Hugo Lloris: „Wir müssen über unsere Grenzen hinauswachsen.“