Die deutsch-französische Fußball-Beziehung

Marseille (dpa) - Der Italien-Fluch ist besiegt, die Engländer sind als Gegner derzeit nicht ernst zu nehmen, auch das einst gefürchtete Spanien ist schon daheim, und der Fußball-Lieblingsfeind Holland war bei der EURO erst gar nicht dabei.

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Blieb also noch Frankreich!

Das deutsche Fußball-Verhältnis zum EM-Gastgeber ist zwar nicht von der gleichen sportlichen oder emotionalen Rivalität geprägt, wie mit den anderen großen europäischen Konkurrenten. Aber es ist Spiegelbild der Ambivalenz zwischen enger Freundschaft und belasteter Historie mit den Nachbarn jenseits des Rheins.

Die Verknüpfung der politischen mit der sportlichen Relevanz wird dabei traditionell eher in Paris gepflegt, denn in Berlin. „Für Frankreich. Der Tag ist gekommen, daran zu glauben. Abend des Ruhms. Frankreich gegen Deutschland, das ist kein Halbfinale wie andere“, schrieb die Zeitung „La Provence“. Und „Le Monde“ konstatierte: „Die Erinnerungen, die diese Begegnung hervorruft, führen zu einer Schlussfolgerung: Immer, wenn es drauf ankam, haben 'les Bleus' gegen 'La Mannschaft' verloren.“

„La Mannschaft“. Lange bevor DFB-Manager Oliver Bierhoff dem deutschen Nationalteam zu reinen Marketingzwecken den Namen „Die Mannschaft“ verpasste, wurde die DFB-Elf in Frankreich schon so genannt. Es schwang dabei ein distanzierter, aber auch bewundernder Unterton mit, der alle Klischees bediente: Gut organisiert, kraftvoll, respektiert, aber ganz bestimmt nicht liebenswert. Immerhin werden heute nicht mehr Wortspiele mit Pickelhaube und rollenden Panzern bedient, das hat auch die international geschätzte Weltmeister-Generation der Neuers, Boatengs und Özils bewirkt.

Die Terminologie von Revanche und Rache spielte aber natürlich auch vor dem Halbfinal-Duell in Marseille eine Rolle. Die Schattenseiten der jüngeren Vergangenheit wurden hinlänglich debattiert. Der brutale Bodycheck von Toni Schumacher im epischen WM-Halbfinale 1982 gegen Patrick Battiston wurde medial in Deutschland wie Frankreich reflexartig als teutonischer Sündenfall thematisiert.

Der deutsch-französische Publizist und Politiker Daniel Cohn-Bendit stellte im SWR-Interview in Erinnerung an die dramatische Nacht von Sevilla, als Deutschland nach einer Aufholjagd im Elfmeterschießen siegte, fest, dass sein Herz diesmal für Frankreich schlage. Die Équipe Tricolore solle „etwas ausgleichen, was ausgeglichen werden muss“. Seit 1958 hatte Deutschland alle drei Pflichtspiele gewonnen. Insgesamt war die Bilanz aber bei 12:9 Siegen und 6 Remis positiv für die Franzosen.

Auch abseits des Platzes gab es dunkle Momente. Für die schlimme Attacke deutscher Hooligans auf den Gendarmen Daniel Nivel bei der WM 1998 in Lens existiert eher in Deutschland eine schamvolle Erinnerungskultur. Immer werde der DFB für die Familie des schwer verletzten Polizisten Sorge tragen, heißt es auf der Homepage des Verbandes, der eine Stiftung ins Leben rief und Nivel bei der EM zum Gruppenspiel gegen die Ukraine einlud.

Die Verbindungen zwischen DFB und Fédération Française de Football (FFF) sind eng. Sie wurden in der Nachkriegszeit, als beide Länder zu Motoren der europäischen Einigung wurden, auch aus politischem Interesse gehegt und gepflegt. Nur gegen die Schweiz (22) bestritt Deutschland nach 1945 mehr Freundschaftsspiele als gegen Frankreich (19). Nach dem Zweiten Weltkrieg traf man sich 1952 erstmals wieder mit dem Nachbarn in Paris. Gegen England (1954) und Russland (1955) spielte man erst später wieder.

Aktuell besteht seit mehreren Jahren ein Kooperationsvertrag, der nicht nur die Zusammenarbeit im Jugendfußball, sondern auch jährliche Testspiele vorsieht. Dieses Agreement führte zu dem verbindenden wie traumatischen Erlebnissen der Terrornacht vom 13. November, als die Pariser Attentatsserie während des Freundschaftsspiels vor dem Stade de France begann. Ihren schockierten Gästen boten die Franzosen damals Quartier im nationalen Trainingscamp von Clairefontaine an.

Ein Fakt wird heute leicht vergessen: Ohne die engen Beziehungen mit Deutschland wäre Frankreich gar nicht zum EM-Gastgeber geworden. Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger stimmte als UEFA-Wahlmann vor sechs Jahren für das Nachbarland. Es war ein Kuhhandel, denn im Gegenzug hatten die Franzosen auf eine Kampfkandidatur gegen Deutschland als Ausrichter der Frauen-WM 2011 verzichtet. Frankreich bekam den Zuschlag mit 7:6-Stimmen gegen die favorisierte Türkei.