Mittelfeld Prunkstück - Luxusproblem für del Bosque
Gniewino (dpa) - Ein Champions-League-Gewinner nur Zuschauer, ein 40-Millionen-Mann nur Gelegenheitsaushilfe: Was für ein Luxus! Spaniens Mittelfeld um Xavi & Co gilt zurecht als das beste im Weltfußball.
Das Prunkstück des Welt- und Europameisters stellt für Vicente del Bosque ein äußerst angenehmes Problem dar. „Alle hätten es verdient zu spielen und würden in vielen Nationalteams sicher zur Stammelf gehören“, sagte der Trainer. Der Coach hat die Qual der Wahl: Gleich elf Spieler streiten bei der EM um einen Platz im Herzstück der „selección“. Obwohl del Bosque bereits zweimal auf einen klassischen Mittelstürmer zugunsten des „Not-Neuners“ Cesc Fàbregas verzichtet hat, müssen selbst in diesem Fall fünf hochqualifizierte Mittelfeldakteure auf die Bank.
Die Konkurrenz feiert und fürchtet die überragende Klasse des spanischen „medio campo“. „Das ist das beste Mittelfeld der Welt“, sagte Frankreichs-Trainer Laurent Blanc. Irlands Altmeister Giovanni Trapattoni schwärmte über die „herausragende Qualität“. Und auch für Kroatiens Slavien Bilic stellt das „derzeit einfach das Beste“ dar.
Del Bosque hat sich in dem von ihm bevorzugten 4-2-3-1-System auf seinen zentralen Fünfer-Block festgelegt. Xabi Alonso (Real Madrid) und der als sein Liebling geltende Sergio Busquets (FC Barcelona) sind die beiden „pivotes“ (Sechser). Xavi, Andrés Iniesta (beide FC Barcelona) und David Silva vom englischen Meister Manchester City bilden den kreativen, Offensivpart. Je nach Gegner und Taktik rückt Mittelfeldmann Fàbregas (FC Barcelona) für Stürmer Fernando Torres (FC Liverpool) noch in die Anfangself.
Xavi ist der geniale Denker und Lenker. So wie beim FC Barcelona gilt er auch in der Nationalmannschaft als „Hirn“. Der 32-Jährige bestimmt Tempo und Taktik, Xavi verfügt über eine unglaubliche Spielintelligenz, Ballsicherheit, Passgenauigkeit und Antizipation. Aber auch sein kongenialer Club-Kollege Iniesta und Silva sind absolute Hochkaräter. Die beiden Außen sind zudem torgefährlich. In seiner Kreativität und technischen Qualität ist dieses Trio einmalig.
Xabi Alonso ist der ruhende Pool im defensiven Mittelfeld. Der Real-Star verfügt nicht über diese spielerische Leichtigkeit, ist aber dank seiner Übersicht und Führungsfähigkeiten das ideale Pendant zu den drei Ballzauberern. Mit dem sieben Jahre jüngeren Busquets bildet der 30-Jährige einen stabilen, nur schwer zu knackenden Sechser-Riegel. Beide entwickeln zudem viel Druck nach vorn und können - siehe Xabi Alonso im Viertelfinale gegen Frankreich - auch als Torschützen in die Bresche springen.
Angesichts solcher Facharbeiter ist es für die konkurrierenden Kollegen fast unmöglich, über die Ersatzrolle hinauszukommen. Ein Spieler vom Format eines Juan Mata (FC Chelsea) hat bei diesem Turnier noch keine Minute gespielt. „Ich hoffe natürlich, dass ich zum Einsatz komme“, sagte der Champions-League-Gewinner. „Ich gebe immer alles im Training und versuche, mich anzubieten.“
So oder so ähnlich äußern sich auch seine Leidensgenossen. Immerhin kamen die schon zu einem oder sogar zwei Kurzeinsätzen. Pedro, beim WM-Halbfinalsieg gegen Deutschland noch in den Top-Elf, durfte gegen Frankreich für den müden Silva wenigstens in der 65. Minute ran. Javi Martínez ist dem FC Bayern München angeblich 40 Millionen Euro Ablöse wert. Aber der vielseitig einsetzbare Defensivspieler von Athletic Bilbao wurde nur gegen Irland (4:0) eingewechselt (65.), als die Partie bereits entschieden war. „Ich hoffe, dass ich zu weiteren Einsätzen komme“, sagte Martínez.
Santi Cazorla vom Champions-League-Qualifikanten FC Malaga schnupperte bei seinen beiden Kurzeinsätzen einschließlich Nachspielzeit 23 Minuten EM-Luft. Jesús Navas (FC Sevilla) durfte insgesamt sogar eine Stunde die rechte Außenbahn auf und ab rennen. Der einzige echte Flügelflitzer beim Titelverteidiger schoss dabei sogar das entscheidende 1:0 gegen Kroatien zum Gruppensieg. „Ich freue mich, dass ich zum Erfolg beitragen darf“, sagte er bescheiden.