Nicht am Thron gerüttelt - Ibrahimovic bleibt torlos

Saint-Denis (dpa) - Zlatan Ibrahimovic kam als einer der Letzten aus der schwedischen Kabine. Wie all seine Mitspieler im eleganten dunkelblauen Maßanzug mit weißem Hemd, Krawatte und Einstecktuch.

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Wenige Minuten vorher hatten die enttäuschten Iren weitgehend unbehelligt in ihren Jogginghosen und den grün-weißen Poloshirts das Stadion verlassen. Vor den TV-Kameras gab Ibrahimovic ein kurzes staatsmännisches Statement ab, dann schritt er zügig in Richtung der grauen Stahltür, die ihn noch vom Mannschaftsbus trennte.

Kurz vor dem Ausgang blieb der exzentrische Stürmerstar plötzlich stehen und gestattete eine einzige Frage. „Wie haben Sie es geschafft, dass der Verteidiger ins eigene Tor köpfte?“, fragte ein Reporter. „ist das wirklich die Frage?“, entgegnete Ibrahimovic. „War es Magie?“, hakte der bärtige Fragesteller knallhart und investigativ nach. Ibrahimovic lächelte in einer Mischung aus Ungläubigkeit und echtem Amüsement und sagte: „Das müssen Sie ihn fragen.“ Und verschwand mit seinem schwarzen Rollköfferchen in den Pariser Abend.

70 Minuten lang war der Angreifer von Paris Saint-Germain am Montag gegen bemerkenswert offensivfreudige Iren weitgehend unsichtbar geblieben. „Wir haben ihn sehr gut von unserem Tor ferngehalten, das haben meine Spieler außerordentlich gut gemacht“, analysierte Irlands Trainer Martin O'Neill treffend. Nach dem 1:1 im Stade de France von Saint-Denis wirkte er bitter enttäuscht über die vergebene Chance.

Denn vor der Partie hatte es eigentlich nur ein Thema gegeben: Irland gegen Ibrahimovic. Der 34-Jährige spielt seine vierte und letzte Europameisterschaft. Mit einem Tor wäre er der erste Profi überhaupt, der bei vier Kontinentalmeisterschaften trifft. Drei Tore trennen ihn noch vom EM-Rekord des Franzosen Michel Platini, der bei seinem glanzvollen Auftritt bei der Heim-EM 1984 neunmal erfolgreich war.

Bei nur wenigen anderen Teams ist die Kluft zwischen einem einzelnen Spieler und dem Rest der Mannschaft derart tief wie bei den Schweden. Der Personenkult um Ibrahimovic nimmt nicht nur in Stadien und Katakomben bizarre Züge an. Auf dem Weg zum Stadion wurden Duftproben seines eigenen Parfüms „Zlatan“ verteilt, pünktlich zum EM-Start brachte er eine eigene Produktlinie mit Sportkleidung auf den Markt.

In Interviews und Aussagen verheimlicht der Familienvater nur selten sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Unvergessen einer seiner jüngsten Aussprüche, als er seinen Abschied aus Paris zum Saisonende ankündigte: „Ich kam als König und ging als Legende.“

Gegen Irland allerdings war der König weitgehend matt gesetzt. Der viel auffälligere irische Regisseur Wes Hoolahan hatte die Boys in Green in Führung gebracht (48.). Zum ersten EM-Sieg seit 28 Jahren reichte es aber nicht - weil Ibrahimovic mit seinem einzigen gefährlichen Vorstoß per Flanke das Eigentor von Ciaran Clark (71.) erzwang.

Die kniffligeren Aufgaben stehen allerdings noch bevor: Gegen Italien und Belgien dürfte es für Ibrahimovic noch schwerer werden, an Platini heranzurücken. So dichtete auch die französische Sportzeitung „L'Équipe“: „Als König in Saint-Denis eingetroffen, ist Ibra nicht gegangen als Einer, der eine Legende entthront.“