Risikospiel gegen Polen: Polizei auf Krawalle eingestellt
Paris (dpa) - Nach den schweren Ausschreitungen in Marseille zwischen englischen und russischen Fans sind Polizei und Behörden in erhöhter Alarmbereitschaft.
Auch für das EM-Spiel zwischen der DFB-Elf und Polen am Donnerstag in Saint-Denis gelten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Randale von Hooligans soll mit aller Macht verhindert werden.
Warum sehen die Behörden ein besonderes Risiko für die Partie?
Kriterium für die Auswahl ist vor allem die Rivalität zwischen den Fangruppen. Die Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS) in Duisburg rechnet mit mehreren Hundert gewaltbereiten deutschen Fans. Schon vor der Partie gegen die Ukraine in Lille hatten deutsche Rechtsextreme und Hooligans ukrainische Fans angegriffen. Auch ein Teil der polnischen Fanszene gilt als gewaltbereit, in der Vergangenheit gab es schon öfter Zusammenstöße zwischen polnischen und deutschen Fans.
Welche Maßnahmen trifft die deutsche Polizei? Werden mehr Beamte in Frankreich sein? Wird es Kontrollen an Grenzen geben?
An den Grenzen sind die Kontrollen bereits verstärkt. Ob im Elsass, an den Grenzen zu Belgien, Luxemburg und den Niederlanden oder auch an Flughäfen: Fans müssen sich auf stichprobenartige Kontrollen einstellen. In den „Thalys“-Zügen nach Paris sind Zivilstreifen unterwegs. „Fan-Busse und verdächtige Fahrzeuge werden auf dem Weg nach Frankreich im Grenzraum verstärkt Kontrollen unterzogen, um gewaltbereite Störer vorab zu ermitteln und an der Ausreise zu hindern“, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei.
Gab es bereits Erfolge bei den Kontrollen?
Vor dem ersten Spiel der DFB-Elf in Frankreich hat die Bundespolizei in der Grenzregion von Rheinland-Pfalz 21 Hooligans gestoppt. Eine 18-köpfige Gruppe einschlägig bekannter Gewalttäter aus Dresden wurde an der Ausreise gehindert. Sie hatten Sturmhauben und Mundschutze dabei. Später wurden drei Hooligans aus Kaiserslautern gestoppt. Bereits vor Beginn der Spiele habe man den französischen Behörden die Namen von 2500 gewaltbereiten Hooligans aus der deutschen Datei „Gewalttäter Sport“ übermittelt, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch mit.
Wie sieht die Strategie der Szene kundigen Beamten im Umgang mit Hooligans konkret aus?
Schon vor der EM haben in Deutschland fast 600 potenzielle Gewalttäter Besuch von der Polizei bekommen. Nach Angaben der ZIS gab es 584 sogenannte Gefährderansprachen. Vier Personen erhielten Meldeauflagen, weitere sieben einen Hinweis in ihren Ausweis oder Pass, dass sie nicht ausreisen dürften. Bei den Gefährderansprachen machen die Beamten den potenziellen Gewalttätern deutlich, dass die deutsche Polizei auch in Frankreich vor Ort sei „und wir sie im Auge haben“, wie es ZIS-Sprecher Jan Schabacker formuliert.
Warum können deutsche Hooligans, die hier ein Stadionverbot haben, trotzdem zu EM-Spielen nach Frankreich reisen?
Zwei der in Kaiserslautern festgenommenen Männer hatten sich ihre Tickets unter falschem Namen beschafft. Auch kann die Polizei Fans, die als gewaltbereit eingestuft sind, nicht einfach so ohne weiteren Grund an der Ausreise hindern. Es kommt auf andere „gerichtsfeste Faktoren“ an, wie etwa die Ausrüstung oder auffälliges Verhalten, wie es ein Sprecher der Bundespolizeidirektion formuliert. „Im europäischen Raum können wir uns ja relativ frei bewegen, darum sind Reisebewegungen von Störern schwer zu kontrollieren“, sagte ZIS-Chef Jürgen Lankes der Zeitung „Die Welt“ und ergänzte: „Wir können ja nicht alle bekannten Störer in Deutschland festsetzen.“
Wie bereiten sich die französischen Sicherheitsbehörden auf das Spiel vor?
Insgesamt sind bei der EM schon mehr als 90 000 Polizisten, Rettungskräfte und private Sicherheitsleute im Einsatz - zum Schutz vor Problemfans und Terror. Nicht nur für das Deutschland-Spiel gegen Polen, sondern für alle weiteren EM-Partien wurde bereits die Aufstockung der Stewards zur Separierung der Fans beschlossen. Die deutsche Polizeidelegation, die die französischen Sicherheitskräfte unterstützt, wird von acht auf zwölf Beamte verstärkt. Auch die französische Polizei wird verstärkt Präsenz zeigen rund ums Stadion.
Was könnte dem Deutschen Fußball-Bund bei möglichen Ausschreitungen drohen?
Die UEFA ermittelt automatisch bei Vorfällen im oder direkt um das Stadion. Maßnahmen für Ereignisse außerhalb der Arenen werden nur in besonders schweren Fällen ergriffen. Dann ist die UEFA-Exekutive für die Sanktionierung zuständig. Das Gremium hatte zuletzt eine Verwarnung an Russland und England ausgesprochen und mit einem EM-Ausschluss bei erneuten Fanausschreitungen gedroht. Im Fall Russlands hat zudem die UEFA-Disziplinarkommission nach Artikel 16 der Statuten ermittelt. Das Urteil: Ausschluss der Mannschaft aus dem Turnier im Wiederholungsfall, 150 000 Euro Geldstrafe.