Fußball-EM Stimmung, Siege — und viel Skepsis

Wir haben unseren Kolleginnen und Kollegen auf den Zahn gefühlt: Was erwarten sie von der Fußball-EM?

Gemeinsam Fußball schauen bei sommerlichen Temperaturen ist immer noch angesagt — finden zumindest einige unserer Kollegen.

Foto: A3397 Gero Breloer

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Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Ab Freitag rollt der Ball bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Für viele Anlass zur ausgereiften Freude, für andere eher das Gegenteil — Fußball? Ein echter Graus. Aber: Alle haben eine Meinung dazu — und das ist ja auch mal viel wert. Wir haben uns umgehört bei den Kollegen unserer Zeitung, fernab des Sportressorts. Sechs Mitarbeitern haben wir jeweils diese drei Fragen gestellt.

Foto: Nele Eckers

1. Worauf freust Du Dich für die Zeit der EM am meisten — oder: Was wird gewaltig nerven?

Foto: Fischer, A. (f22)

2. Wer wird der Star des Turniers — und wer garantiert nicht?

Foto: Lübke, Kurt (kul)

3. Und was ist mit den Deutschen? Europameister? Wer denn sonst, bitte?

Foto: NN

1. Wie bei jedem Turnier seit der Weltmeisterschaft 1982 freue ich mich am meisten auf die englische Mannschaft. Weiß der Teufel, warum ausgerechnet die Three Lions seit jeher mein Lieblingsteam sind, an einer brillanten Turnierbilanz kann es bekanntlich nicht liegen. Insofern wird mich das übliche Ausscheiden Englands — bevorzugt im Elfmeterschießen — auch wieder am meisten nerven. „Diese junge Mannschaft ist gut, aber wir wissen doch, wie es wieder ausgehen wird…“, schreibt der Guardian. So ist es leider.

2. Ich erwarte keinen einzelnen Überflieger, Frankreichs Anthony Martial könnte was reißen, Alvaro Morata bei Spanien, Jérome Boateng ist der beste Verteidiger der Welt — am schönsten freilich wäre es, wenn das Leicester-City-Märchen von und mit Ex-Knacki Jamie Vardy fortgesetzt würde.

3. Die Deutschen darf man getrost schon mal im Spielplan bei den Halbfinals eintragen, darunter geht grundsätzlich nichts. Diese Turnierbilanz ist — auch und gerade im Vergleich zu allen anderen großen Fußball-Nationen weltweit — einfach unfassbar. Was nicht heißt, dass die Jogi-Truppe tatsächlich den vierten Euro-Titel einfährt. Vor zwei Jahren war sie personell etwas besser besetzt. Die stärksten Gegner? Frankreich und Spanien.

1. Gewaltig nerven wird mich die Vorrunde. Viele Spiele, die die Welt nicht braucht, weil die geldgierige Uefa eine Europameisterschaft mit 24 Mannschaften durchgesetzt hat. Interessant wird’s erst ab dem 30. Juni. Dann startet das Viertelfinale. Darauf freue ich mich sehr, denn toller Fußball steht an.

2. Star des Turniers wird Antoine Griezmann von Champions-League-Finalist und Bayern-Bezwinger Atlético Madrid. Der 25-jährige Franzose spielt eine überragende Saison. Die Tore und Vorlagen des Stürmers werden maßgeblich dazu beitragen, dass Frankreich den EM-Titel holt. Bei einstigen deutschen Vorzeigekräften wie Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski wird es nach desolaten Auftritten dagegen heißen, dass es ihr letztes großes Turnier war.

3. Die Deutschen stehen vor einer EM, bei der nicht viel geht. Im Kader dominiert das Mittelmaß. Weltklasse-Format bringen nur Manuel Neuer, Jérome Boateng, Toni Kroos und Thomas Müller mit. Viele Spieler wirken müde, überspielt. Und Trainer Joachim Löw vermittelt nicht den Eindruck, als könne er den Ehrgeiz wecken. Da sieht beim neuen Europameister Frankreich und ihrem großartigen Trainer und Weltmeister Didier Deschamps ganz anders aus.

1. Einigkeit und Bier und Grillgut — so kann man „Schland“ im Fußballfieber beschreiben. Denn der Fußball eint die Nation und auch die hier lebenden Nationen. Die Polizei drückt beim Autokorso schon mal ein Auge zu. Kurzum: Die Stimmung wird ausgelassener sein als sonst. Darauf freue ich mich während der EM.

2. Gute Chancen hat Mario Gomez: Der Stürmer, der in seinen ersten beiden Turnieren 2008 und 2010 ohne Treffer geblieben ist, konnte viele auch bei der EM 2012 nicht überzeugen. Als die DFB-Elf schließlich den WM-Titel holte, war Gomez nicht einmal dabei. Und auch, wenn er gleich nach dem Turnier in den Kreis der Nationalmannschaft zurückgekehrt ist: Für die Euro 2016 hatte ihn keiner auf dem Zettel — außer: Bundestrainer Jogi Löw. Am Tag des EM-Finales wird Mario Gomez 31 Jahre alt, es ist vermutlich seine letzte Chance auf einen Titel im DFB-Dress. Wer kein Star des Turniers wird, ist sicher: Das Trikot der Deutschen. Denn das Jersey für die Euro 2016 ist ein Ladenhüter. 84,95 Euro verlangt Hersteller Adidas von Ottonormalverbraucher für das aktuelle Heimtrikot. Das ist vielen zu teuer — trotz der vier Sterne auf der Brust.

3. Poldi darf mit, Reus schon wieder nicht — Unverständnis. Nun hat sich Rüdiger verletzt und fällt für die gesamte EM aus. Es läuft noch nicht rund. Ich könnte mir vorstellen, dass die DFB-Auswahl zu lange braucht, um ins Turnier zu finden.

1. Große Vorfreude ist bei mir noch nicht aufgekommen. Das liegt vor allem an der Aufblähung des Turniers auf 24 Mannschaften. Diese Erweiterung der Geldmaschine seitens der Uefa hat aber auch ihr Gutes: Durch die Teilnahme von Wales, Nordirland und Irland ist bei einigen Spielen auf den Rängen Gänsehaut-Atmosphäre garantiert. Am meisten freue ich mich auf das Duell zwischen England und Wales.

2. Die EM 2016 wird das Turnier von Paul Pogba. Der wohl talentierteste und begehrteste Mittelfeldspieler Europas wird der Anführer Frankreichs bei der „EM dahoam“. Punktuell wird auch Deutschlands Mario Götze Akzente setzen — wie schon bei der WM 2014. Für ein Top-Turnier fehlt ihm aber die Konstanz. Der Star der EM wird er daher sicher nicht.

3. Einen absoluten Top-Favoriten gibt es nicht. Deutschland, Spanien, Belgien und Frankreich sind die Titel-Kandidaten. So wie in der Champions League werden am Ende vor allem Fitness und Tagesform entscheiden. Für Frankreich ist die Last im eigenen Land letztlich ein bisschen schwer. Von daher: Ja, okay, Deutschland wird Europameister.

1. Gemeinsam sieht man besser: Spätestens seit dem Sommermärchen 2006 gehört das Public Viewing zu einem großen Turnier dazu. Anfeuern, anstoßen, Tore bejubeln: Gefeiert wird aber nicht groß, laut und rummelig, sondern zünftig-familiär in der Kneipe. Zudem mit Spannung erwartet: der EM-Tipp.

2. Antoine Griezmann. Der Champions-League-Triumph mit Atlético Madrid blieb ihm verwehrt, jetzt wird der Stürmer die Franzosen mit seinen Toren zum Titel schießen. Einst als zu klein und schmächtig aussortiert, erlebte Griezmann in den vergangenen Jahren einen steilen Aufstieg. Die Krönung soll beim Finale am 10. Juli im Stade de France folgen.

3. Einige Leistungsträger sind verletzt, andere suchen ihre Form. Weltmeister Deutschland hat vor dem EM-Start mit einigen Problemen zu kämpfen. Die Mannschaft von Trainer Joachim Löw wird sich im Turnierverlauf steigern, im Halbfinale ist aber Schluss. Frankreich macht das Rennen - wie bei der Heim-EM (1984) und der Heim-WM (1998).

1. Die wichtigen Dinge der Welt (Politik, Wirtschaft, Bundesliga) geraten in Vergessenheit, der Smalltalk dreht sich um Schals, graue Haare und ein bisschen um Taktik. Schland rückt schwarzrotgold-fahneschwenkend zusammen. Zumindest, bis wir im Viertelfinale ausgeschieden sind.

2. Island wird der Star der EM, die Qualifikation war toll, jeder Punktgewinn ein EM-Titel. Und eines ist auch klar: Der Starspieler wird wohl nicht aus Holland kommen.

3. Unser Topteam wird viel zu früh ausscheiden, weil unsere alternden Altstars nicht früh genug zurückgetreten sind und nun noch einmal mitmüssen. Ich würde mich freuen, wenn Belgien gewinnt: Auch, weil ich meine Deutschlandflagge quasi nur um 90 Grad drehen müsste, um mitzujubeln. Red