Tops und Flops der EM - Eine Bestandsaufnahme

Danzig (dpa) - Die einen spielen sich mit einem 80-Meter-Sprint in den Vordergrund, die anderen blamieren sich mit einem punktlosen Aus: Die Zwischenbilanz der ersten Gewinner und Verlierer der Fußball-EM nach Ende der Gruppenphase hält einige Überraschungen parat.

Gewinner:

DFB-TEAM: Joachim Löws Mannschaft marschierte mit drei Siegen durch die Vorrunde und stellte damit einen EM-Rekord auf. 14 Pflichtspiele hat die DFB-Elf nun nacheinander gewonnen, obwohl die Vorbereitung auf das Turnier wegen vieler fehlender Spieler teilweise schwierig war. „Wir sind reifer geworden“, erkannte Löw nach dem 2:1 gegen Dänemark. Mario Gomez beeindruckte mit drei Treffern.

GRIECHENLAND: Hellas wendete aus sportlicher Sicht das EURO-Aus ab. Das Erreichen des Viertelfinales fühlte sich für viele Fans beinahe schon so sensationell wie der EM-Sieg 2004 an. Streicheleinheiten für ein ganzes Land! Die Presse feierte die „Superseele“ des griechischen Teams um Kapitän Georgios Karagounis und misst einem Sieg gegen die Löw-Truppe auch politische Bedeutung bei - Grüße an Angela Merkel.

ITALIEN: Wettskandal, verletzte Spieler - die Vorbereitung auf die EM war alles andere als optimal. Dennoch erreichte Italien mit fünf Punkten aus drei Spielen das Viertelfinale - wenn auch mit großem Zittern. Baumeister des Erfolgs ist Coach Cesare Prandelli. Er hält nicht nur Diva Mario Balotelli im Zaum, sondern überrascht auch mit taktischen Kniffen (Daniele De Rossi als Abwehrchef).

IRISCHE FANS: Sie waren titelreif. Die rund 20 000 irischen Fans sorgten während des 0:4 gegen Spanien für Gänsehautstimmung. Selbst ARD-Kommentator Tom Bartels verstummte bei der Folk-Ballade „The Fields of Athenry“. Einige pfiffige Anhänger ließen sich mit einem Banner ablichten, auf dem geschrieben stand: „Angela Merkel Thinks We're At Work“ (Angela Merkel glaubt, wir sind bei der Arbeit).

WAYNE ROONEY: Er kam, sah und siegte. Hoffnungsträger Wayne Rooney führte England bei seinem ersten Auftritt nach einer Rotsperre zum 1:0 gegen die Ukraine und damit in die K.o.-Runde. „So gut habe ich mich noch nie nach einem Tor für England gefühlt“, sagte der Stürmer von Manchester United. Der Treffer bedeutete das Ende einer langen Durststrecke: 673 Minuten hatte „Roo“ zuvor nicht getroffen.

LARS BENDER: Ein Mann, ein Sprint, ein Treffer. Mit einem Lauf vom eigenen Strafraum bis zum gegnerischen Tor über 80 Meter beeindruckte Lars Bender nicht nur Löw. Beim ersten Einsatz in der DFB-Startelf traf der Azubi als Rechtsverteidiger gleich zum 2:1 gegen Dänemark. „Das Spiel stand auf des Messers Schneide, aber der macht das Tor mit einer Seelenruhe“, lobte der Bundestrainer.

SCHIEDSRICHTER: UEFA-Refereechef Pierluigi Collina konnte mit seinen Unparteiischen zufrieden sein - eigentlich. Ausgerechnet am letzten Gruppenspieltag leistete sich aber erst Wolfgang Stark bei Spanien gegen Kroatien (1:0) einen Patzer, als er ein elfmeterreifes Foul von Ramos an Mandzukic nicht pfiff. Dann erkannte Viktor Kassai bei England gegen Ukraine (1:0) ein klares Tor von Marko Devic nicht an.

VFL WOLFSBURG: Felix Magath durfte stolz auf seine Kicker sein. Der einem Wechsel nicht abgeneigte Kroate Mario Mandzukic empfahl sich mit drei Treffern für große Clubs. Petr Jiracek und Vaclav Pilar waren maßgeblich am Viertelfinal-Einzug Tschechiens beteiligt. Und der an den AS Rom ausgeliehene dänische Verteidiger Simon Kjær zeigte, warum ihn Coach Magath einst geholt hatte.

Verlierer:

ORANJE: Was für eine Blamage! Zum ersten Mal seit 32 Jahren schied die niederländische Mannschaft in der Vorrunde aus. Außerdem holte sie bei einer EM oder WM keinen Punkt - auch eine traurige Bestmarke. Zerstritten, zerfahren, zerknirscht - das Debakel war auf wenige Nenner zu bringen. Und Arjen Robben? Diesmal reichte es selbst für den Tempodribbler nicht einmal zum Vize-Titel.

GASTGEBER: Die Erwartungen waren riesig, der Absturz aus sportlicher Sicht bitter. Nach Polen verabschiedete sich auch die Ukraine als Gastgeber aus dem Turnier. Die Bevölkerung trauerte. Rund um Polens Team setzte die Suche nach Schuldigen ein. Im Fokus: Verbandsboss Grzegorz Lato. Bei der Ukraine stand der Schuldige schnell fest: Referee Kassai, der ein klares Tor gegen England nicht gegeben hatte.

PRÜGELNDE FANS: In Verruf gerieten vor allem russische und kroatische Anhänger. Die UEFA verurteilte den kroatischen Verband wegen des Fehlverhaltens einiger Fans zu Geldstrafen von insgesamt 125 000 Euro. Nach den Vorkommnissen beim Vorrundenspiel zwischen Polen und Russland muss der Verband der Sbornaja sogar den Abzug von sechs Punkten in der Qualifikation zur EM 2016 fürchten.

IRISCHE FUSSBALLER: Die Form ihrer Fans erreichten sie nicht. Die „Boys In Green“ mussten nach drei Pleiten und nur einem geschossenen Tor chancenlos die Heimreise antreten. „Ich bin erschüttert“, sagte Verteidiger Richard Dunne stellvertretend für die sympathischen Außenseiter. Selbst Oldie Giovanni Trapattoni - mit 73 Jahren ältester Trainer der EM-Historie - brachte sein Team nicht auf Kurs.

UEFA-BILDER: Joachim Löw löste die Kontroverse unfreiwillig aus. Der Bundestrainer stupste einem Balljungen beim Spiel gegen die Niederlande (2:1) einen Ball unter dem Arm weg. Die UEFA schnitt die Szene in die Live-Übertragung der Partie, obwohl sie sich bereits vor dem Match zugetragen hatte. Die Europäische Fußball-Union sah sich wieder mit Vorwürfen der Manipulation und Zensur konfrontiert.

TV-MODERATOREN: Sowohl das ZDF-Duo Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn als auch das ARD-Duett Gerhard Delling und Mehmet Scholl zogen sich den Zorn einiger TV-Gucker zu. Unter anderem wurden dem ZDF-„Pas de deux“ fachliche Fehler vorgeworfen. Scholl löste eine Debatte um den Einsatz und die Spielweise von Stürmer Gomez aus. Mit Lob sparte der ARD-Experte später aber genauso wenig.