Ungarn feiert drei kuriose EM-Helden
Bordeaux (dpa) - Dass er sogar Gruppen-Erster ist, wusste Bernd Storck noch gar nicht, als er mit seligem Grinsen über Laszlo Kleinheisler schwärmte.
„Er ist ein Riesentalent“, lobte der deutsche Fußball-Trainer der Ungarn den quirligen Kleinheisler, der sein Team zum 2:0-EM-Sieg gegen Österreich geführt hatte. „Er wird seinen Weg gehen“, sagte der Coach über den 22-Jährigen, der kurz danach mit der Trophäe für den besten Spieler unter dem Arm durch den Keller des Stadions in Bordeaux schlurfte.
Laszlo wer? Vielen Bundesliga-Fans dürfte Kleinheisler noch nicht aufgefallen sein. Gerade einmal sechs Einsätze mit zusammen 191 Minuten hat der im Januar nach Bremen geholte Mittelfeldspieler bisher absolviert. Werder-Trainer Viktor Skripnik weiß mit ihm offensichtlich nicht viel anzufangen.
Doch in Ungarn ist Kleinheisler jetzt ein Held, und er genoss die Anerkennung als „Man of the match“ nach dem Sieg ganz intensiv. Kurioserweise erhielt er die Trophäe von einem ehemaligen Bremer - Angelos Charisteas, dem griechischen EM-Helden von 2004.
Der kleine Spieler selbst blieb bescheiden und wollte nicht viel reden. Als „man of the match“ musste er zu einer Pressekonferenz, „das erste Mal überhaupt“, wie er verlegen lächelnd erklärte: „Ich bin glücklich, eingeladen zu sein.“ Und brav versicherte der Werder-Profi noch: „Heute war es ein Mannschaftsspiel. Alle haben gewonnen.“
Der euphorisierte Storck schwärmte umso ausgiebiger über den als Spielmacher eingesetzten Kleinheisler: „Wie er gespielt hat - Riesenkompliment.“ Und Co-Trainer Andreas Möller lobte: „Er ist im Offensivbereich vielseitig einsetzbar und er ist sehr lernwillig. Er hat das klasse gemacht.“
Nicht nur Kleinheisler nutzte die große Fußball-Bühne, um sich in Erinnerung zu bringen. Das deutsche Trainer-Duo der Ungarn profitierte beim Sieg gegen Österreich auch von zwei weiteren Profis, die in der Bundesliga keine Rolle mehr spielen oder sogar unerwünscht sind.
Auch Führungstorschütze Adam Szalai strahlte daher über das ganze Gesicht. 18 Monate war der Hoffenheimer Stürmer in der Bundesliga ohne Treffer geblieben und nach der Ausleihe im Winter auch noch mit Hannover 96 abgestiegen. Nun wurde er von den ungarischen Fans genauso enthusiastisch gefeiert wie 2:0-Schütze Zoltan Stieber, der beim Hamburger SV nicht mehr erwünscht und beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg bei sechs Einsätzen kaum zum Zuge gekommen war.
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich so ein tolles Tor gemacht habe“, sagte Stieber am Mittwoch zurück im Teamquartier in Tourrettes. „Wir haben gesehen, wie glücklich die Fans in der Heimat waren und wir sind stolz darauf, dass wir ihnen so eine Nacht geben konnten.“
„Bei uns bekommen sie Vertrauen“, sagte Ungarns Co-Trainer Möller. Das in der Bundesliga unglückliche Trio wurde von Trainer Bernd Storck und Möller „immer unterstützt“. Das zahlte sich in nun Bordeaux aus. Dank des 1:1 von Portugal und Island reisen die verschmähten Bundesliga-Profis nun als Gruppen-Erster nach Marseille, wo sie mit einem Sieg gegen Island die nächste Runde sicher hätten.