Wie 1992? Dänen träumen von der nächsten Sensation

Kolberg (dpa) - In einer EM-Wertung liegen die Dänen schon jetzt ganz weit vorn: Sie haben eines der attraktivsten Quartiere bei dieser Fußball-Europameisterschaft. Ihr Hotel in Kolberg liegt direkt am Ostseestrand, jeder Spieler hat von seinem Zimmer aus einen imposanten Blick aufs Meer.

Nach dem völlig überraschenden und von den Medien in der Heimat wahlweise als „Wunder“, „Sensation“ oder „heroisch“ eingestuften Sieg gegen die Niederlande kommt nun auch noch eine schöne sportliche Aussicht hinzu: Sollte Dänemark am Mittwoch in Lwiw gegen seinen Lieblingsgegner Portugal gewinnen, stünde der krasse Außenseiter so gut wie im Viertelfinale.

„Unser Vorteil ist: Wir wissen, wie die Portugiesen zu schlagen sind“, sagte Trainer Morten Olsen. Seine Mannschaft schloss bereits die EM-Qualifikation vor dem eigentlich deutlich besser besetzten Team um Superstar Cristiano Ronaldo ab. Erst im vergangenen Oktober gewann sie das direkte Duell auf dem Weg zur Endrunde mit 2:1. „Unsere Bilanz gegen Portugal ist gut: Fünfmal haben wir in den letzten fünf Jahren gegen sie gespielt und dabei zweimal gewonnen und nur einmal verloren“, rechnete Olsen vor.

Wie sehr das 1:0 gegen Oranje ein ganzes Land euphorisiert hat, zeigt sich allein daran, dass überall schon wieder die Erinnerungen an 1992 hochkommen. Damals schlugen die Dänen erst die Niederlande und dann den Weltmeister aus Deutschland. Am Ende waren sie der überraschendste und für viele auch sympathischste Europameister, den die Fußball-Geschichte bis heute erlebt hat. „Mein Vater ist damals jubelnd durch den ganzen Garten gerannt. Ich hoffe, es wird wieder so ein Sommer“, sagte William Kvist vom VfB Stuttgart dem „kicker“ (Montag) und bediente so die Stimmung in Dänemark.

Die meisten aktuellen und vor allem auch früheren Spieler wehren sich allerdings noch gegen diese gewagten Vergleiche. Als mehrere Zeitungen nach dem Sieg gegen die Niederlande spontan eine Umfrage unter den Helden von 1992 starteten, fiel das Ergebnis eher nüchtern aus. „Nein, eine Sensation wie damals ist nicht noch einmal möglich bei dieser EM“, sagte der frühere Bayern-Stürmer Brian Laudrup. John „Faxe“ Jensen fühlt sich zwar der Stimmung nach an den Sommer 92 erinnert. „Aber damals war damals. Wir haben leider immer noch keinen Messi oder Ronaldo in diesem dänischen Team“, sagte er.

Selbst nach ihrem Erfolg gegen Robben, Sneijder, van Persie und Co. wird dieser Aussage keiner der dänischen Spieler ernsthaft widersprechen. „Wir müssen auch gegen die Portugiesen schon einen sehr guten Tag erwischen, um sie zu schlagen“, meinte Kvist.

Denn was die individuelle Qualität angeht, sind die Dänen auch diesem Gegner unterlegen. Gerade auf den Außenpositionen, wo am Mittwoch Nani und Ronaldo warten werden, hat Trainer Olsen nach dem Ausfall von Ajax-Verteidiger Nicolai Boilesen ein Problem. „Wir haben eine großartige Partie gegen Holland gespielt. Aber Portugal wird mindestens genauso schwer“, sagte Torwart Stephan Andersen.