Wieder nur Tränen: Kroatiens „goldene Generation“ bleibt unvollendet
Lens (dpa) - Die kroatischen Tränen berührten sogar einen der härtesten Kerle dieses Turniers. Portugals Pepe, der verrufene Verteidiger von Real Madrid, versuchte irgendwann seinem Vereinskollegen Luka Modric wieder auf die Beine zu helfen.
Doch der kleine Spielmacher der Kroaten kauerte auf dem Rasen des Stade Bollaert-Delelis in Lens und weinte wie ein Kind. „Das tut mir sehr leid für sie“, sagte Pepe später. „Das ist ein großartiges Team.“
Pepe und Modric kennen beide das Gefühl, mit ihrem Verein alles, mit ihrer Nationalelf aber nie etwas zu gewinnen. Die Portugiesen dürfen nach einem glücklichen 1:0-Achtelfinal-Sieg nach Verlängerung immerhin weiter davon träumen, dass sich daran noch bei dieser Fußball-Europameisterschaft etwas ändert. Kroatiens vermeintlich „Goldene Generation“ dagegen reist auch aus Frankreich wieder einmal unvollendet ab. „Das ist die größte Enttäuschung meiner Karriere“, sagte der frühere Schalker Ivan Rakitic, der neben Modric und Mario Mandzukic der prominenteste Vertreter dieser Generation ist. „Ich habe noch nie in einer Umkleidekabine so viele Tränen gesehen.“
Bei Raktic will das etwas heißen. Der Mittelfeldspieler des FC Barcelona war schon 2008 dabei, als die Kroaten im Viertelfinale an der Türkei scheiterten, obwohl sie erst in der vorletzten Minute der Verlängerung in Führung gegangen waren. Doch diesmal sitzt der „Schock von Lens“ („Slobodna Dalmacija“) noch einmal tiefer.
„Wir sind sehr enttäuscht, denn wir alle wissen: Das war die große Chance dieser Generation“, sagte Verteidiger Vedran Corluka. Er selbst ist 30 Jahre alt, Modric und Mandzukic sind das ebenfalls. Schon 2018 bei der WM in Russland könnte es für sie zu spät sein.
Die kroatische Mannschaft hat dieses Turnier nur unter ein Motto gestellt: Jetzt oder nie! Sie hat in der Vorrunde teils berauschenden Fußball gespielt, sie hat damit den Titelverteidiger Spanien besiegt und vor allem: Auch sie hat in den vergangenen Tagen den Spielplan studiert. Modric, Rakitic und Co. wussten genau, dass hinter Portugal auf dem Weg ins Finale nicht Weltmeister Deutschland oder Gastgeber Frankreich lauern, sondern nur Polen, Ungarn, Belgien oder Wales.
„So ist Fußball“, sagte Trainer Ante Cacic hinterher. Ein Tor von Ricardo Quaresma in der 117. Minute hat alles zerstört. Portugal gelang es als erstem Gegner, das anspruchsvolle Spiel der Kroaten zu ersticken. Statt des erhofften Fußball-Fests kam dabei das vielleicht langweiligste Spiel der gesamten EM heraus. „Portugal ist jetzt der neue Favorit. Sie können es bis ins Finale schaffen“, sagte Cacic. Und das eigene Team? „Wir hatten keine psychologische Barriere. Wir haben einen Fehler gemacht - und wurden dafür brutal bestraft.“
Cacic gab sich damit gleich große Mühe, um seine Mannschaft wieder aufzubauen. Für ihn nicht die erste Herausforderung, die sein Job in den vergangenen Wochen für ihn bereithielt. Während des ersten EM-Spiels starb der Vater von Kapitän Darijo Srna, während des zweiten randalierten die Fans. Parallel dazu stieg Cacic' Team erst vom Geheim- zum Mitfavoriten auf, um dann am Samstagabend aus genau dieser Fallhöhe wieder abzustürzen. Was die Kroaten bei dieser EM in Frankreich erlebt haben, reicht eigentlich für drei Turniere.
Was ihnen jetzt wieder bevorsteht, ist der ewige Vergleich mit den Helden von 1998, die damals WM-Dritter wurden. Kroatiens Verbandspräsident und früherer Weltklassestürmer Davor Suker ist einer von ihnen, er hatte erst am Tag des Portugal-Spiels gesagt: „Die großartigen Individualisten. Die Technik. Die Leistungen bisher.“ All das erinnere ihn an 1998. Mindestens bis zur WM 2018 gilt aber nun weiterhin, was der frühere Spielmacher Zvonimir Boban über Modric und Co. sagt: „Diese Generation ist ein großes Versprechen, auf dessen Einlösung wir aber noch warten.“