Gruppe E Zlatan Überallovic
Chuck-Norris-Witze, in denen dem US-amerikanischen Action-Schauspieler eine übermenschliche Aura beigemessen wird, sind längst Kult. Wenn er gegen Zlatan Ibrahimovic Fußball spielen würde, würde es womöglich Unentschieden ausgehen. Schwedens Angreifer ist schließlich auch ein Superstar von einem anderen Planeten.
Pornichet. Zlatan Ibrahimovic bekleidet natürlich eine zentrale Position. Erste Reihe Mitte, stechender Blick geradeaus — zumindest auf dem Mannschaftsbild in der Bushaltestelle kann man Schwedens Superstar im EM-Quartier in Pornichet für einen Moment ganz nah sein.
Ob sie Zlatan schon in der Realität gesehen hat? „Nein“, schüttelt die Frau hinter dem Tresen der Touristinformation den Kopf, „nur im Fernsehen“. Am Tag nach dem 1:1 zum Auftakt gegen Irland stellen sich vier Spieler den Fragen der schwedischen Journalisten. Ibrahimovic ist nicht dabei. Aber das hat auch keiner der Reporter erwartet.
„Niemals, niemals“, winkt einer ab, würde sich der Superstar bei einer solchen Gelegenheit blicken lassen. Ein anderer wendet ein, dass auch bei den Deutschen die Besetzung von Presseterminen immer unterschiedlich sei. „Der Kapitän sitzt ja auch nicht bei jeder Pressekonferenz auf dem Podium.“
Gerne hätten die schwedischen Journalisten Erik Hamrén zum enttäuschenden 1:1 befragt. Normalerweise äußere sich der Trainer am Tag nach dem Spiel. Statt ihm kommen vier Spieler in das Tagungszentrum in der Innenstadt von Pornichet. Wenigstens ist die Auswahl für die Kollegen interessant. Oscar Lewicki etwa ist da. Der defensive Mittelfeldspieler hat schlechte Kritiken zum Auftakt bekommen.
2015 wurde er mit Schwedens U21 Europameister, aber bei Malmö FF habe er keine gute Saison gespielt, finden die skandinavischen Kollegen. „Wir haben einen Punkt geholt, sind Zweiter in der Gruppe und haben alle Chancen, die nächste Runde zu erreichen“, macht Lewicki auf Zweckoptimismus, nicht zuletzt dank Ibrahimovic: „Er macht das Spiel einfacher, da er in der Lage ist, unsere langen Bälle in die Spitze anzunehmen. Dazu hat er bereits einige große Spiele gemacht und gibt dem Team viel Selbstvertrauen", sagt der 23-jährige Mittelfeldspieler, der von 2008 bis 2011 die Jugendabteilungen bei Bayern München durchlaufen und eine Saison in der U23 des Rekordmeisters gespielt hat. „Es war eine wunderbare Zeit, ich habe immerhin drei Jahre dort gespielt. Sie hatten schon damals eine Menge überragender Spieler“, sagt Lewicki.
Bei Verteidiger Martin Olsson ist die Stimmung gedrückt. Ruhig sei es in der Mannschaft nach dem 1:1 gewesen. Sie hätten besser spielen können. Gerade mit ihrem Auftritt in der ersten Halbzeit sind die Schweden nicht zufrieden. Aber es gibt ja zum Glück noch Zlatan Ibrahimovic. Der gab zwar nur eine Vorlage und die war nicht mal sonderlich genial. Auch Weltstars treten eben manchmal ganz profane Flanken. Aber der Ire Ciaran Clark lenkte sie ins eigene Tor — Ibrahimovic war der gefeierte Mann. „Er ist ein wichtiger Spieler für uns und hat schon eine Menge Tore für uns gemacht“, sagt Olsson. „Ein Weltstar ist für jedes Team wichtig. Er ist als Kapitän unser Anführer, sowohl auf als auch neben dem Platz“, sagt Lars Richt, der technische Direktor der schwedischen Nationalmannschaft.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Zlatan ist immer präsent, auch wenn er am Dienstag nicht selbst anwesend ist. Er ist ja auch ein Glamour-Schwergewicht: 9,9 Millionen Euro an Jackpots hat das Casino in Pornichet 2015 ausgeschüttet. Das ist Siebtel von dem, was Zlatan geschätzt einspielt an Gehalt und Werbeeinnahmen.
Ibrahimovic spielt in einer anderen Liga, man kann ihm aber auch ganz nah sein in Pornichet. In dem kleinen Ort mit seinen gerade mal 10700 Einwohnern im Nordwesten Frankreichs, in dem jeder zweite Fahnenmast mit einem blau-gelben Banner beflaggt ist, ist die Aura von Ibrahimovic allgegenwärtig. Nicht nur auf dem Mannschaftsfoto in der Bushaltestelle. Ein Restaurant hat die Pizza „La Zlatan“ auf die Karte genommen und ein Andenkenladen sein Programm erweitert: Neben den üblichen Müslischalen für Lucile und Matthieu gibt es auch welche für Zlatan. Es ist kein typisch französischer Name, aber Ibrahimovic wird womöglich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und ein Frühstück mit Zlatan — das ist doch eine ganz besondere Mahlzeit, die sonst nur den Teamkollegen im Mannschaftshotel mit Blick auf den Atlantik vorbehalten ist.