Ronaldos Häme nach Blamage - Portugal „rückt vom Traum ab“

Saint-Étienne (dpa) - Cristiano Ronaldos Frust entlud sich in blanker Häme über die Underdogs aus Island, in der portugiesischen Heimat rücken die ersten Meinungsmacher schon wieder vom Ziel EM-Titel ab.

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„Portugal eingefroren. Der Traum kühlt ab“, titelte die Sportzeitung „Record“ nach dem bitteren 1:1 gegen die spielerisch limitierten Kicker aus dem nordeuropäischen Mini-Staat zum Vorrunden-Auftakt. Das portugiesische Massenblatt „Correio da Manha“ erkannte gleich zum Start eine „einfrierende Euphorie“ in der heimischen Bevölkerung.

Die schlechte Laune war auch Ronaldo anzumerken, als er eine Dreiviertelstunde nach Abpfiff entnervt durch die Mixed-Zone des Stade Geoffroy-Guichard von Saint-Étienne stapfte. „Das ist ein wenig frustrierend“, räumte der Superstar von Real Madrid in der Nacht zum Mittwoch ein, um kurz darauf heftig gegen die wacker kämpfenden Kontrahenten auszuteilen: „Sie haben gefeiert, als wären sie Europameister geworden, es war unglaublich“, kommentierte der 31-Jährige mit bissigem Unterton. Er verurteilte die taktisch nachvollziehbare Marschroute der Isländer, tief zu stehen und sich aufs Verteidigen zu konzentrieren: „Meiner Meinung nach zeugt das von kleiner Mentalität, deswegen werden sie nichts erreichen.“

Des einen Freud ist des anderen Leid oder: Island düpiert Portugal
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Dass sich ein Weltklasseprofi wie Ronaldo zu solchen Aussagen hinreißen ließ, ließ die schlechte Stimmung im Lager des selbst ernannten Titelanwärters erahnen. Schon seit 2008 warten die Portugiesen inzwischen auf einen siegreichen Einstand bei einem großen Fußballturnier. Dass daraus auch gegen Island nichts wurde, hatten sie vor allem ihrer Chancenverwertung zuzuschreiben. Ronaldo selbst vergab mehrmals aus besten Positionen - obwohl der sonst so treffsichere Star nach dem Champions-League-Sieg mit Real vor wenigen Wochen voller Selbstvertrauen nach Frankreich gereist war.

„Wir hätten mehr Tore erzielen müssen, das ist kein Geheimnis“, gestand Trainer Fernando Santos. „Teils haben wir gut, teils nicht so gut gespielt. Es lief nicht wie geplant.“ Denn nach dem verdienten Führungstreffer durch Nani (31. Minute) - dem 600. Endrundentor der EM-Geschichte - funktionierte am Dienstagabend in seinem Team offensiv nicht mehr viel. Stattdessen gelang Birkir Bjarnason fünf Minuten nach der Pause der zweifellos glückliche Ausgleich. „Das Pech hat an unsere Tür geklopft“, befand Portugals Zeitung „Diario de Noticias“. Das „Jornal de Noticias“ wollte erkannt haben, die Isländer hätten „den portugiesischen Ehrgeiz abgekühlt“.

Portugals Torschütze Nani wertete das Remis als „ein Signal für uns, dass wir in den weiteren Spielen Siege einfahren sollten“. Ronaldo führte an, dass sich auch andere EM-Mitfavoriten wie Spanien (1:0 gegen Tschechien) und Frankreich (2:1 gegen Rumänien) in ihren Auftaktbegegnungen nicht souverän präsentiert hätten. „Angesichts dessen sind wir nicht besorgt, auch die stärksten Teams des Turniers hatten Schwierigkeiten, ihre Spiele zu gewinnen“, sagte Ronaldo. Kleiner Trost für ihn: Mit dem 127. Länderspieleinsatz schloss der Offensivmann zu Portugals Rekord-Nationalspieler Luis Figo auf.