Zu Gast bei Freunden: Fanprojekt gegen EM-Wucher

Kiew (dpa) - Wucherpreise von mehreren 100 Euro für eine Übernachtung während der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine? Das muss nicht sein, denken solidarische Fans des Ballsports in der Ex-Sowjetrepublik.

Sie haben vor Beginn der EM am 8. Juni eine Internet-Börse für Gratis-Übernachtungen bei ukrainischen Familien gestartet - und wollen damit auch dem Negativimage ihres Landes entgegenwirken, sagt Maxim Prodan in der Hauptstadt Kiew.

„Wenn unseren Politikern auch der schlechte Ruf der Ukraine in Europa gleichgültig ist - uns ist es das nicht.“ Bereits mehr als 600 Angebote kamen schon zusammen. Prodan gründete mit Gleichgesinnten erst die Facebookgruppe „Welcome to Ukraine!“ und anschließend die Seite rooms4free.org.ua. Vor allem für Kiew, wo am 1. Juli das EM-Finale ausgetragen wird, finden sich Angebote - aber auch für Charkow, wo die deutsche Elf am 13. Juni auf die Niederlande trifft.

„Wir sind eine gastfreundliche Nation und möchten nicht, dass bei den Besuchern des Turniers ein falscher Eindruck entsteht“, sagt der Sprecher des Bündnisses in Charkow, Iwan Wartschenko. EM-Touristen sollen im Gästezimmer oder auf dem Sofa in den Wohnungen ukrainischer Fans untergebracht werden.

Weniger als drei Wochen vor EM-Beginn hatten örtliche Medien über explodierende Preise während des Turniers berichtet, das die Ukraine mit Polen veranstaltet. Demnach sollen in Charkow Appartements, die sonst 50 Euro kosten, für rund 2000 Euro pro Nacht erhältlich sein.

Grundbedingung für die Freischaltung in der Internetbörse sei, dass es sich um eine Gratisübernachtung ohne versteckte Kosten für EM-Besucher handele, berichtet das Kiewer Magazin „Korrespondent“. Kommerzielle Angebote würden sofort gelöscht. Maxim und seine Mitstreiter wollen den Fußballfans eine andere, gastfreundliche Seite der Ukraine präsentieren. Zuletzt sorgte der Fall der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko für Negativschlagzeilen.

Auch Angebote für Lwiw (Lemberg) finden sich mittlerweile, dort spielt Deutschland gegen Portugal (9. Juni) und gegen Dänemark (17. Juni). Einzig die Industriestadt Donezk steht noch zurück. Wie Wadim Woskressenski aus Charkow meint, hält er Gastfreundschaft für seine Bürgerpflicht. „Besucher sollen einen Eindruck von der Ukraine bekommen, der nicht von der Scheinheiligkeit der Regierung und der Gier der Krämer geprägt wird, sondern vom Kontakt zu normalen Ukrainern“, sagt Woskressenski. Er ist sogar bereit, Gäste vom Flughafen abzuholen, sie durch Charkow zu fahren und - „soweit es die Gesundheit gestattet“ - sie mit der Nationalküche bekanntzumachen.

Auch Prominente wie die ehemalige Frau von Timoschenkos Anwalt Sergej Wlassenko bieten in Kiew Platz in ihrer Wohnung an. Doch erhält sie nach eigenen Angaben mehr Anfragen von Freunden und Bekannten, die sich besorgt erkundigen, ob sie tatsächlich „unbekannte Leute zu sich ins Haus lässt“.