Bayer-Trainer Schmidt: „Ich weiß, dass ich polarisiere“
Düsseldorf/Villarreal (dpa) - Bayer Leverkusen Trainer Roger Schmidt ist für viele eine Reizfigur. Der 48-Jährige hält manche Kritik für überzogen, verteidigt seinen Offensivstil und nimmt Spekulationen über eine angebliche Ablösung gelassen.
„Es beunruhigt mich nicht, weil ich als Person meine Arbeit besser nicht machen könnte, als ich sie mache“, sagte er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.
Sie können momentan machen, was Sie wollen - es hagelt Kritik. Dass Sie nicht beim Bundesligaspiel in Augsburg (3:3) geblieben sind, wo sie wegen der Sperre nicht coachen durften, und nach Spanien zur Beobachtung des FC Villarreal geflogen sind, wurde als die „Mannschaft im Stich lassen“ interpretiert. Verstehen sie die Kritik?
Schmidt:Ich weiß, dass ich polarisiere - sowieso immer, aber in sportlich schwierigen Situation noch etwas mehr. Mir geht es letztendlich nur um eins: meine Arbeit bestmöglich zu machen und meine Mannschaft so zu trainieren und zu führen, dass wir den großen Herausforderungen gerecht werden können.
Wäre es nicht klüger gewesen, in dieser Situation im Augsburger Stadion zu bleiben?
Schmidt: Ich war gesperrt und habe die Mannschaft soweit es mir möglich war auf das Spiel vorbereitet. Aus einer Loge heraus konnte und durfte ich ihr in keiner Weise mehr helfen. Deshalb war für mich klar: Wenn ich etwas machen kann, um die Chance auf ein Weiterkommen auch nur marginal zu erhöhen, tue ich das. Die Möglichkeit war gegeben, Villarreal noch einmal live zu beobachten. Zeitlich passte es, da ich bis zur letzten Minute bei der Mannschaft bleiben konnte. Für mich war das das Gegenteil von im Stich lassen.
Wie war es für Sie, wegen der Innenraum-Sperre ohne die Möglichkeit der Einflussnahme tatenlos zuschauen zu müssen?
Schmidt: Ich empfand die Situation deutlich schlimmer, als ich sie mir vorgestellt habe. Deshalb wird es mir nicht noch mal passieren.
Die Sperre hatte Folgen. Am 21. Spieltag war Bayer Tabellendritter, am Ende des Banns ist Leverkusen nach zwei Niederlagen und einem Remis Tabellenachter. Ist es eine Krise?
Schmidt: Es ist eine sehr schwierige Phase. Das Schlimmste an dem Dortmund-Spiel war nicht die Sperre, sondern der Ausfall von Ömer Toprak und Kevin Kampl. Das waren zu der Zeit zwei für unsere Spielweise enorm wichtige Leistungsträger in absoluter Topform. Danach ging es mit den Verletzungen weiter: Stefan Kießling, Kyriakos Papadopoulos, Jonathan Tah und Roberto Hilbert. Da kann man auch mal Spiele verlieren. Aber sicher war es, wie gesagt, kein Vorteil für die Mannschaft, dass ich nicht auf der Bank war.
Ihr Image ist nicht gerade glänzend: Distanziert, unnahbar, stur, arrogant sind Attribute, die in Bezug auf Sie fallen. Was stimmt davon, was ist falsch daran, wie sehen Sie sich?
Schmidt: Ich wäre sicher nicht der Erste, dessen in den Medien erzeugtes Bild von der Realität abweicht. Das können und sollen aber die Menschen besser beurteilen, die mich persönlich kennen. Mir ist es wichtig, mich nicht zu verbiegen, um Sympathien einzusammeln. Und mir fällt es nicht leicht, zu Menschen besonders freundlich zu sein, von denen ich meine, dass sie meiner Mannschaft oder mir persönlich schaden oder auch nur etwas bewusst schlecht darstellen wollen. Ich leide sicher nicht unter Verfolgungswahn, wenn ich davon ausgehe, dass manche Kritik im letzten Jahr überzogen und bei dem einen oder anderen auch persönlich motiviert war. Und damit will ich mich berechtigter und sachlicher Kritik nicht versperren. Insgesamt glaube ich aber, dass die Kritik an Fußballtrainern zu schnell jedes Maß verliert und mitunter auch den gebotenen Respekt vermissen lässt.
Auch ihr aggressiver Offensivstil findet nicht nur Liebhaber. Er wird als zu leicht durchschaubar und zu wenig variabel kritisiert. Was stimmt an der Kritik, ist sie total falsch?
Schmidt: Meine Wunschvorstellung ist, mit Bayer eine Spielidee zu haben, die Wiedererkennungswert hat und die wir weiter optimieren. Ich möchte, dass, wenn man Bayer 04 sieht, man sofort weiß, es ist Bayer 04 - auch, wenn die Spieler das Clubtrikot nicht anhaben. Andere Trainer wollen total flexibel sein, Dreier-, Vierer- oder Fünferkette spielen lassen. Sie sehen es als Herausforderung, sich immer neu zu erfinden. Letztendlich muss jeder da seinen Weg gehen.
Und was wollen Sie?
Schmidt: Ich möchte, dass wir immer und insbesondere gegen hochkarätige Mannschaften davon überzeugt sind, mit der bestmöglichen Umsetzung unserer Art des Fußballs die größte Wahrscheinlichkeit auf einen Sieg haben. Wenn ich diese Überzeugung sehe, wie bei unserem Champions League-Spiel in Barcelona, geht mir als Trainer das Herz auf, auch wenn wir am Ende verloren haben. Das treibt mich als Trainer an, und nicht sich in solchen Spielen hinten reinzustellen und hoffen, mal einen Konter zu fahren.
Zu lesen war auch, dass es Kritik aus Spielerkreisen an Ihnen gibt, und Sie mit Teilen des Kaders nichts anzufangen wissen. Was stimmt daran, wie ist das Verhältnis zur Mannschaft?
Schmidt: Ich glaube, das Verhältnis ist gut, und wir beweisen das ja auch auf dem Platz, unabhängig davon, dass wir in der Bundesliga etwas hinterher hinken. Die Spieler investieren viel und haben eine ungeheuer schwierige Aufgabe: Es ist eine Mannschaft mit vielen blutjungen Spielern in der direkten Verantwortung, mit einer neuen Spielphilosophie, alle drei Tage ein Spiel, wir wollen in allen drei Wettbewerben so weit wie möglich und über die Bundesliga wieder in die Champions League kommen. Das ist eine Herkulesaufgabe. Das funktioniert nur, wenn es eine gute Atmosphäre gibt.
Vor dem Augsburg-Spiel wurde über ihre Ablösung spekuliert und geheime Verhandlungen von Rudi Völler mit Lucien Favre kolportiert. Belastet Sie das?
Schmidt: Ich kenne die Mechanismen des Fußballs. Ich habe mich langfristig an Leverkusen gebunden, weil der Club und ich es so wollten und ich überzeugt bin, dass wir einen tollen Weg vor uns haben können. Wenn man für weitere vier Jahre unterschreibt, ist es klar, dass es in dieser Zeit auch schwierige Situationen geben wird. Es beunruhigt mich nicht, weil ich als Person meine Arbeit besser nicht machen könnte, als ich sie mache. Ich investiere so viel und mache es so gut, wie ich es nur eben kann. Was das Trainieren und Führen der Mannschaft angeht, gebe ich jeden Tag alles. Wenn der Verein irgendwann zu dem Entschluss kommt, dass das nicht mehr reicht und Rudi Völler kommt in mein Büro und sagt: Roger, das war`s, dann habe ich das zu akzeptieren. Aber ich werde dann wissen, dass ich das Beste mir mögliche investiert habe.
Und wie ist das Verhältnis zu Bayer-Sportdirektor Völler?
Schmidt: Hervorragend!
ZUR PERSON: Roger Schmidt ist seit Sommer 2014 Trainer bei Bayer Leverkusen und führte den Werksclub auf Anhieb ins Achtelfinale der Champions League. Zuvor war Schmidt beim Zweitligisten SC Paderborn und bei RB Salzburg, mit dem er österreichischer Meister wurde.