Nach peinlichem 1:6 Debakel in Anderlecht - Schmidt fordert Mainzer Reaktion

Anderlecht (dpa) - Die Aufarbeitung des Unerklärlichen begann noch in den Katakomben des Constant-Vanden-Stock-Stadions.

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„Wir haben die Kabinentür zugemacht und mit den Spielern gesprochen“, erzählte der Mainzer Trainer Martin Schmidt nach dem 1:6-Debakel beim belgischen Rekordmeister RSC Anderlecht in der Europa League.

Nach der „höchsten und schlimmsten Niederlage“ seiner Amtszeit war der 49 Jahre alte Schweizer bemüht, die richtige Mischung im Umgang mit seiner in der Schlussphase vogelwilden Mannschaft zu finden. Auf der einen Seite ging es darum, die zahlreichen Unzulänglichkeiten und zum Teil dilettantischen Fehler deutlich anzusprechen. Zugleich war der FSV-Coach aber als Aufmunterer gefragt, steht doch bereits am Sonntag beim Überraschungsteam RB Leipzig die nächste schwere Aufgabe in der Fußball-Bundesliga auf dem Programm.

„Wir müssen die Fehler klar und deutlich ansprechen, dann aber wieder nach vorne schauen. Wir lassen uns keinen Knacks einreden“, sagte Schmidt kämpferisch. „Ich traue dem Team und den Typen zu, dass es zu einer Aufarbeitung kommt und dann eine Reaktion gibt.“

Doch wer die Mainzer Spieler nach den denkwürdigen 93 Minuten in der belgischen Hauptstadt mit gesenkten Köpfen die traditionsgeladene Arena verlassen sah, der konnte erahnen, wie sehr Schmidt in den kommenden beiden Tagen als Aufbauhelfer gefragt ist. Kapitän Stefan Bell hielt sich krampfhaft an einer Kleiderbox fest, um ja nicht nach den TV-Interviews auch noch in der Mixed Zone Rede und Antwort stehen zu müssen. Auch Leon Balogun war nach seinem missglückten Comeback nicht mehr nach Auskunft geben zu Mute.

Der Frust saß tief bei den Mainzern, die mit so großen Erwartungen nach Anderlecht gekommen waren. Es sollte ein Festtag für die 05er werden, am Ende wurde es eine der bittersten Niederlagen der jüngeren Vergangenheit. Dabei war der Bundesligist 89 Minuten lang eigentlich ebenbürtig und erspielte sich gegen einen keineswegs gefestigten Gegner ebenfalls Chancen im Überfluss.

Doch am Ende brach bei den Gästen alles zusammen. Naiv und disziplinlos liefen die Mainzer weiter nach vorne und kassierten so in den Schlussminuten noch drei weitere Gegentreffer. „Das war eine Katastrophe und darf uns nicht passieren“, schimpfte Schmidt. „Es ist absolut inakzeptabel, dass wir nicht das Ergebnis halten und stattdessen mit sieben Mann angreifen und uns Konter ohne Ende fangen“, sagte Bell, als er vor den TV-Kameras noch reden musste.

Deutlich wurde in Anderlecht auch, dass einige junge Spieler doch noch nicht so weit sind, wie von vielen erhofft. Die Doppelsechs aus Jean-Philippe Gbamin (21) und Suat Serdar (19) war in diesem so wichtigen Europapokalspiel heillos überfordert. Da zudem einige Leistungsträger wie Yunus Malli und Jhon Córdoba müde und überspielt wirkten, setzte es für die Mainzer die höchste Niederlage auf internationalem Parkett überhaupt. „Geht das Spiel 1:3 aus, kann man das noch erklären und moderieren. So aber wird es schwer“, sagte Sportdirektor Rouven Schröder.

„Das war schon bitter“, sagte Malli, der sich mit seinen Mitspielern von den mitgereisten Fans nach dem Schlusspfiff auspfeifen und beschimpfen lassen musste. Noch in der Nacht ging es für den FSV per Kurzflug zurück in die Heimat. Schon am Sonntag haben die Mainzer im Liga-Alltag die Chance zur Wiedergutmachung. Und auch in der Europa League ist das Aus noch nicht besiegelt. In St. Etienne muss nun in drei Wochen aber zwingend ein Sieg her, wofür jedoch eine deutlich reifere Leistung als in Anderlecht nötig ist.