Europa League zwischen Faszination und „Albtraum“

Amsterdam (dpa) - Die Euphorie von Michel Platini schien grenzenlos. Einen „erfolgreichen neuen Aufschwung“ und „Nervenkitzel“ versprach der Präsident der Europäischen Fußball-Union den Fans zum Start der Europa League als Ersatz des traditionsreichen UEFA-Cups.

Doch auch im vierten Jahr strahlt die kleine Stiefschwester der Champions League längst nicht den erhofften Glanz aus.

Die Clubs bemängeln deutlich geringere Einnahmen als in der Königsklasse und eine zähe Gruppenphase, die UEFA will rund um den Jahreswechsel über mögliche Reformen entscheiden. „Das Format wird laufend besprochen“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.

Zum Jahr 2015 soll es Änderungen geben. Eine immer wieder kolportierte Abschaffung der europäischen Zweitklassigkeit scheint aber zunächst vom Tisch, nachdem Platini mit Gedankenspielen auf heftigen Widerstand bei den Vereinen gestoßen war und betonte, falsch verstanden worden zu sein. „Die Europa League ist großartig, und wir müssen sie unterstützen“, beendete der Franzose die Debatte.

Obwohl das Finale in Amsterdam mit dem Duell zwischen Geldadel (FC Chelsea) und Tradition (Benfica Lissabon) die bislang attraktivste Endspielpaarung bereithielt, will sich die Begeisterung Platinis nicht auf dem ganzen Kontinent einstellen. „Wer erinnert sich heute daran, wer vor einem Jahr der Finalgegner von Atlético Madrid war?“, hinterfragte die Schweizer Nachrichtenagentur Sportinformation den Stellenwert spöttisch.

Nicht nur wegen des Showdowns zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern steht die Champions League auch in Deutschland deutlich im Fokus. Aus der Bundesliga schaffte bislang nur der Hamburger SV 2010 den Sprung ins Halbfinale, im Free-TV sind die Spiele bei Kabel eins zu sehen. „Der Wettbewerb kommt bei den Leuten nicht gut an“, umschrieb Fredi Bobic, Sportvorstand des VfB Stuttgart, jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ das Dilemma.

Bei den Fans ließ sich deshalb diese Saison eine Müdigkeit an der Mischung aus häufig unattraktiven Gegnern, späten Anstoßzeiten und dem Termin kurz vor dem Bundesliga-Wochenende erkennen. Strömten bei Hannover 96 vergangene Spielzeit noch zu jeder der sieben Heimpartien mehr als 40 000 Zuschauer ins Stadion, waren es dieses Jahr nur noch 30 300 im Schnitt. Bei Bayer Leverkusen verloren sich an einem kalten Dezemberabend gegen Rosenborg Trondheim sogar gerade einmal 10 513 frierende Anhänger in der Arena. Einzig die Anhänger von Borussia Mönchengladbach bescherten ihrem Club nach jahrelanger Abstinenz zu Hause und in Rom oder Marseille rauschende Europapokal-Nächte.

Zwar sprach Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers von einem „wirtschaftlichen Erfolg“ - diese Einschätzung teilen aber nicht alle Branchenkollegen. „Da nehmen Sie nichts ein“, klagte Bobic trotz des Achtelfinaleinzugs. „Uns bleiben maximal zwei bis drei Millionen Euro. Die Prämien für die Spieler, die Kosten für die Reisen, das Sicherheitspersonal im Stadion und so weiter, das muss alles abgezogen werden von dem, was sie da bekommen.“

Seine Mannschaft hätte an UEFA-Prämien während der aktuellen Saison bestenfalls 9,9 Millionen Euro verdienen können, in der Champions League gab es alleine 8,6 Millionen Euro Antrittsgeld.

Der Sprung auf die internationale Bühne ist dabei besonders für die Überraschungsclubs stets gleichzeitig auch ein sportliches Wagnis. Seit der Einführung der Europa League verschlechterten neun von 14 Teilnehmern im Folgejahr ihre Ligaplatzierung. Zuletzt stürzte Hertha BSC 2010 in die zweite Liga ab - auch der SC Freiburg ist durch die Abstiegserfahrung aus der UEFA-Cup-Saison 2001/02 vor seinem anstehenden Kontinental-Abenteuer gewarnt.

Für Clubs mit Champions-League-Ambitionen kann der Gang in die Europa League gar zur Qual werden. „Es ist ein Killer“, klagte der damalige Tottenham-Coach Harry Redknapp, als er vor zwei Jahren mit den Spurs die Europa-League-Qualifikation geschafft hatte. „Donnerstag und Sonntag jede Woche - ein Albtraum. Du hast keine Chance in der Premier League damit, es killt dich.“