Ewige Berg- und Talfahrt Schalke in der Krise: Verein und Fans verzweifeln

Darmstadt (dpa) - Der Spanier Jorge Andujar Moreno genannt Coke kann erst seit drei Wochen richtig mitspielen beim FC Schalke 04. Trotzdem kam der feurigste Appell in dieser rätselhaften Krise seines neuen Vereins am Sonntag von ihm.

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„Wir müssen arbeiten, arbeiten, arbeiten“, sagte der 29-Jährige nach dem peinlichen 1:2 (0:1) beim Tabellenletzten Darmstadt 98. „Donnerstag gegen Ajax ist ein Endspiel für uns Spieler, für die Fans, für den Verein. Dann müssen wir allen Leuten zeigen, dass Schalke ein großes Team ist.“

Dieses große Team macht sich im Moment ziemlich klein. Vielleicht ist die Erklärung für all das, was gerade „auf Schalke“ passiert aber auch, dass dieses Team gar nicht so groß ist, wie alle immer denken.

In der Europa League müssen die Schalkerim Viertelfinal-Rückspiel gegen Ajax Amsterdam einen 0:2-Rückstand aufholen. Und in der Fußball-Bundesliga verspielte dieser ambitionierte Club am Sonntag beim designierten Absteiger in Darmstadt die große Chance, wieder bis auf einen Punkt an die internationalen Plätze heranzukommen. Schalke ist jetzt Elfter statt Siebter - und läuft Gefahr, eine ohnehin schon äußerst unbeständige Saison in nur wenigen Tage vollends an die Wand zu fahren.

„Ich kann verstehen, dass der Pessimismus bei vielen größer ist als der Optimismus“, sagte Sportvorstand Christian Heidel. „Aber man darf vor keinem Spiel die Einstellung haben: Das Ding ist schon gelaufen. Wir werden am Donnerstag noch einmal alles versuchen.“

Die Atmosphäre rund um den Verein ist diesem Versuch allerdings nicht gerade förderlich. Im Gegenteil: Es herrscht wieder einmal Unruhe auf Schalke. Die eigenen Fans bedachten das Team nach der Niederlage in Darmstadt mit jeder erdenklichen Form der Beschimpfung - von „Scheiß Millionäre“ bis „Haut bloß ab hier“ war alles dabei.

Dazu meldete sich Aufsichtsratschef Clemens Tönnies zum ersten Mal in dieser Saison öffentlich zu Wort und sagte in einem Interview der „Bild am Sonntag“: „Wir benötigen und erwarten sportlich eine klare Struktur und eine Entwicklung. Mit der fehlenden Konstanz und den Leistungsschwankungen in dieser Saison sind wir alle unzufrieden.“

Das ständige Auf und Ab ist in dieser Spielzeit das größte Schalker Problem. Warum schießt eine Mannschaft in der Bundesliga erst den VfL Wolfsburg ab und verliert danach in Darmstadt? Warum wirft sie in der Europa League erst Borussia Mönchengladbach aus dem Wettbewerb und lässt sich eine Runde später von Ajax vorführen?

Die Niederlage in Darmstadt lässt sich wenigstens noch mit einer grotesk schlechten Chancenverwertung erklären. Der Tabellenletzte traf früh durch Mario Vrancic (11.) und spät durch Jerome Gondorf (90.+3). Dazwischen kam Schalke durch Coke (74.) zwar zum Ausgleich, verschoss aber auch einen Elfmeter (Guido Burgstaller/58.), sah eine Rote Karte (Thilo Kehrer/81./Notbremse) und „ließ gleich mehrere Hundertprozentige liegen“, wie Trainer Markus Weinzierl kritisierte.

Die tiefere Wahrheit ist aber: In dieser Besetzung ist Schalke kein Spitzenteam. Das immense Verletzungspech reißt seit Monaten große Lücken in alle Mannschaftsteile. Allein vier der zehn Neuzugänge (Coke, Embolo, Baba, Naldo) waren oder sind über Monate nicht dabei.

Aber selbst wenn sie wieder zurück sind, hat dieser Kader anders als direkte Konkurrenten wie Borussia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen keine große Zukunft. Eigengewächse wie Sead Kolasinac und Max Meyer wollen im Sommer gehen. Bei teuren Transfers wie Benjamin Stambouli, dem bald fest zu verpflichtenden Jewgeni Konopljanka oder selbst Coke stehen Preis und Perspektive in keinem Verhältnis.

Vor dem Spiel gegen Ajax liegt in der großen Unbeständigkeit der Schalker aber immerhin eine Hoffnung. „Vielleicht geht es ja Donnerstag wieder in die andere Richtung“, sagte Weinzierl.