FIFA-Chef Blatter zürnt Zwanziger - Skandal-Jahr
Tokio (dpa) - Der Abschluss des schlimmen Krisenjahres sollte der Aufbruch zu besseren Zeiten beim Fußball-Weltverband werden. Doch auch nach der letzten Vorstandssitzung 2011 bleiben Zweifel an Joseph Blatters Reformbemühungen.
Am Ende des Skandal-Jahres 2011 bekam selbst Blatter-Freund Theo Zwanziger den Zorn des angegriffenen FIFA-Präsidenten zu spüren. Er werde „persönlich intervenieren“, wenn in der Diskussion um die umstrittene Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar „Personen innerhalb der FIFA und Mitglieder des Exekutivkomitees weiterhin solch abträgliche Erklärungen verbreiten“, ließ FIFA-Chef Joseph Blatter nach der zweitägigen Sitzung des Exekutivkomitees in Tokio verbreiten. Eine unmissverständliche Breitseite gegen den scheidenden DFB-Boss Zwanziger, der sich zuletzt immer wieder als Pauschalkritiker der Katar-WM hervorgetan hatte.
Der 75 Jahre alte Schweizer flüchtete sich am Ende des schlimmsten Jahres seiner Amtszeit als Präsident des Fußball-Weltverbandes in seine Lieblingsrollen. Nur einen Hauch Selbstkritik, eine Schelte für den nächsten WM-Gastgeber Brasilien, ein bisschen öffentliche Reformwillenbekundung, dafür viel Entschlossenheitsrhetorik und „Stürmische-Zeiten-ruhige-See“-Metaphorik.
Dem Schweizer Verband droht er im Fall der Transferverstöße des FC Sion den Ausschluss von der großen Fußball-Bühne an, die WM 2014 in Brasilien erklärt er kurzerhand zur Chefsache und plant eine rasche Inspektionsreise, um vor Ort den Druck auf die Organisatoren zu erhöhen. „Das Exekutivkomitee ist besorgt“, sagte Blatter. Trotz positiver Meldungen zum Stadionbau sei die Lage „komplex“, hieß es bei der FIFA. Schon vor der WM 2010 in Südafrika hatte Blatter mit den gleichen Mechanismen die lokalen Organisatoren erfolgreich unter Druck gesetzt - und sich dann als WM-Held feiern lassen.
„Die Vergangenheit ist vorbei, wir müssen nach vorne blicken. Ich habe versprochen, dass ich unser Boot wieder in ruhige Gewässer fahren möchte, das Boot war nicht in ruhigen Gewässern, jetzt möchte ich das Boot wieder in den Hafen steuern“, sagte Blatter in Tokio nach dem Treffen des FIFA-Vorstandes, der 2011 mehrfach wegen Korruptionsanschuldigungen in die Schlagzeilen geraten war. Dessen Mitglieder wie Ricardo Teixeira (Brasilien), Issa Hayatou (Kamerun) oder Worawi Makudi (Thailand) werden noch immer mit Bestechungsvorwürfen unterschiedlichster Couleur konfrontiert und bestreiten diese.
Zu den Berichten über unsaubere Immobiliengeschäfte Makudis stellte das Exekutivkomitee fest, „dass alles in Ordnung ist, der Fall ist damit abgeschlossen“. Im Fall des vom Internationalen Olympischen Komitees (IOC) verwarnten Hayatou seien „keine Maßnahmen erforderlich“, er sei „weiterhin ein hoch angesehenes Mitglied des IOC und auch der FIFA. Es besteht keine Notwendigkeit, eine Untersuchung einzuleiten, denn das Exekutivkomitee vertraut ihm und unterstützt ihn vorbehaltlos“, so die Einlassungen Blatters.
Diese Worte beweisen, wie sehr der im Oktober angeschobene vermeintliche Selbstreinigungsprozess der FIFA im Glaubwürdigkeitsdilemma steckt. Die Öffnung der brisanten Gerichtsakten in der ISL-Affäre verzögert sich. Zahlreiche Funktionäre, darunter auch Mitglieder der FIFA-Exekutive, sollen in den Bestechungsskandal um die Vermarktungsagentur verwickelt sein.
Hatte Blatter damals ein 18-köpfiges unabhängiges Good-Governance-Gremium mit hochrangigen Persönlichkeiten aus der Welt des Fußballs, der Politik, der Sponsoren, der Medien angekündigt, wurden jetzt in Tokio in ein paar dürren Zeilen neun Namen veröffentlicht, die der FIFA zu einer verantwortungsvollen und transparenten Verbandsführung verhelfen sollen. Darunter sind der amerikanische Fußballverbands-Präsident Sunil Gulati, IOC-Mitglied Lydia Nsekera aus Burundi oder Anti-Korruptions-Experten verschiedener internationaler Unternehmen.
Die Anti-Korruptions-Behörde Transparency International verweigert ebenso eine Zusammenarbeit mit dem neuen Komitee wie die international tätige und anerkannte Fanorganisation Football Supporters Europe (FSE). Die Gründe: Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des Gremiums und Kritik an der Ernennung des Vorsitzenden Mark Pieth, eines renommierten Schweizer Strafrechtlers.
Blatter aber vertraut darauf, dass mit der Kommission und den weiteren Task Forces die FIFA ihre „Glaubwürdigkeit zurückerhält“. Auf die Frage, ob er auf das Jahr mit Bedauern zurückblicke und etwas anders machen würde, sagte der bis 2015 gewählte FIFA-Chef: „Bedauern ja, aber man kann nicht leben mit einem Bedauern. Wir sind sehr positiv, und ich habe immer noch die Energie nach vorne zu blicken und weiterzumachen bis zum Ende dieses neuen Mandates.“