Ein Fortuna-Hooligan packt aus: „Bei uns boxt auch ein Polizist“

Dieter B. über seine Motivation, die Polizei, andere Fans und das Verhältnis zum Klub.

Düsseldorf. Mit 16 hatte er sich einen Namen in der Szene „erhauen“, heute ist Dieter B., der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, 51 Jahre alt und blickt zurück auf mehr als drei Jahrzehnte, in denen er die Knochen hingehalten hat.

Für seinen Lieblingsverein Fortuna Düsseldorf, für seine Jungs und für sein zweifelhaftes Hobby: Dieter ist Hooligan. Wie er das wurde, was gemeinhin als Problemfan bezeichnet wird, wie sich die Szene verändert hat und welche Gewaltausbrüche uns noch erwarten, sagt er in diesem Interview.

Sie sehen gar nicht wie ein gefährlicher Schläger, sondern eher vernünftig aus. Wie wird man zum Hooligan?

Dieter B.: Ich war zwölf und eigentlich Schalke-Fan, aber dann bin ich immer mehr in die Düsseldorfer Szene gerutscht, weil ich mich viel in der Altstadt und am Fürstenplatz herumgetrieben habe. Da kam ich in das Umfeld von Regenschirm-Bande und von Fortuna-Terror, eine der ersten Hooligan-Gruppen in Düsseldorf. Mit 16 Jahren hatte ich mir dann schon einen Namen erhauen.

Warum ist jemand scharf darauf, sich am Wochenende mit anderen zu prügeln?

B.: Ich kann nicht sagen, warum ich Hooligan geworden bin. Es war einfach dieses Gruppengefühl und der Adrenalin-Kick, zum Beispiel alleine in 30 Leute reinzulaufen und die ersten fünf Gegner mitzunehmen.

Sie sind über 50, haben Frau und Kind. Was sagen die eigentlich dazu?

B.: Meine Frau weiß nicht alles. Sie weiß natürlich, dass ich zum Fußball fahre. Sie gibt mir dann meistens ihren kleinen Sohn mit, damit nichts passiert. Denn mit ihm gehe ich brav in den Familienblock. Wenn es passt, bin ich bei den Topspielen aber dabei.

Wie oft hatten Sie schon die Nase gebrochen?

B.: Ich hatte erst drei Verletzungen. Einmal hatte ich zwei Schneidezähne eines anderen im Kopf stecken. Und zweimal eine Platzwunde über dem Auge. Dazu natürlich einige blaue Flecken. Einmal hatte ich auch eine Schürfwunde im Gesicht. Da hatte ich dann offiziell einen Fahrradunfall.

Der ganze Ärger, nur um sich zu kloppen?

B.: Ich würde alles wieder so machen. Wenn ich heute umfallen und sterben würde, kann ich sagen: Ich habe gelebt. Andere machen Bungee Jumping, Fallschirmspringen oder fahren Autorennen — ich mach’ dritte Halbzeit. Das ist mein Kick. Wenn du Pech hast, stehst du eben mit einem Bein im Knast. Ich war auch schon etwa 20 Mal vor Gericht. Wenn ich das Geld jetzt hätte, was ich für Körperverletzungen, Anwaltskosten oder Schmerzensgelder gezahlt habe, könnte ich bauen.

Offensichtlich konnte Sie das nicht davon abhalten, sich beim Fußball weiterhin zu prügeln.

B.: Das Schlimme ist: Du gehst zum Fußball und sagst dir, dass heute nichts passiert. Und dann passiert doch was, und du bist mittendrin. Das kann man nicht mehr steuern, hat keine Kontrolle darüber. Es ist irgendwie in mir drin. Das ist wie Dr. Jekyll und Mister Hyde. Bei für die dritte Halbzeit uninteressanten Spielen kann ich aber auch ganz normal Fußball gucken.

Hat es Ihnen nie etwas ausgemacht, wenn Sie andere bei Schlägereien verletzt haben?

B.: Nein, das macht mir nichts aus. Die lassen sich doch darauf ein, das sind ja Gleichgesinnte.

Vor der laufenden Zweitliga-Saison wurde von der Krawall-Liga gesprochen. Doch bis auf Spiele von Hansa Rostock gab es bisher kaum Ausschreitungen. Ist die Liga doch harmlos?

B.: Diese Saison wird noch sehr interessant. Es wird in einigen Stadien knallen, nicht nur von Düsseldorfer Seite aus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass gegen Frankfurt was passiert. Die hatten auch beim Leverkusener Gastspiel in der Arena vor drei Jahren die Altstadt besetzt, weil die Düsseldorfer alle in Polizeigewahrsam waren.

Macht die Düsseldorfer Szene vor dem Spiel gegen Frankfurt mobil?

B.: Solche Spiele sind Selbstläufer. Doch gerade bei diesen Risikospielen passiert erfahrungsgemäß im und am Stadion weniger, weil die Polizei massiv präsent ist. Düsseldorf hat in der Hooligan-Szene allerdings immer noch einen großen Namen. Wir sind unter den Top-Zehn in Deutschland.

Wie groß ist die Szene in Düsseldorf?

B.: Die Szene umfasst zwischen 100 und 200 Mann — je nach Anlass. Für mich gibt es auch nur eine Gruppe — die Bushwhackers. Der harte Kern der Bushwhackers, das sind 40 Leute. Die meisten sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Aber es gibt auch Ältere wie mich.

Was sind das für Leute?

B.: In unseren Reihen boxen zwei Rechtsanwälte, leitende Angestellte, ein Immobilienmakler, andere Schlipsträger. Und wissentlich ein Polizist. Der ist auch bei der Einsatzhundertschaft und könnte theoretisch auf Kollegen treffen, die ihn kennen. Aber er nimmt das für den Kick in Kauf.

Hooligans — eine Bande von Juristen, Maklern und Polizisten?

B.: Natürlich nicht nur. Früher waren es wesentlich mehr Sozialfälle und Schlägertypen. Es sind auch einige Supporter von den 81ern dabei. (Gemeint sind Mitglieder der Hells Angels oder von The Clan 81, einem Unterstützer-Club der in Düsseldorf verbotenen Hells Angels, Anm. d. Red.)

Früher gab es so etwas wie einen Ehrencodex: Wer liegt, der liegt und keine Waffen. Und heute?

B.: Waffen braucht kein Mensch, das ist meine Meinung. Ob nachgetreten wird, wenn jemand am Boden liegt, hängt vom Gegner ab. Ausnahmen sind Hassvereine, da wird schon getreten.

Welche Rolle spielen Drogen dabei, die eigene Angst vor einer Schlägerei zu überwinden?

B.: Drogen? Ich nehme keine, aber wenn es im Sommer beim Fußball schneit, ist das schon seltsam.

Der Düsseldorfer Fußball-Einsatzleiter Hans-Joachim Kensbock-Rieso setzt auf Kommunikation und Deeskalation. Das müsste für Sie doch frustrierend sein.

B.: Die Deeskalationsprogramme der Polizei sind mittlerweile ganz gut. Nach der Aktion an der Kastanie im Aufstiegsjahr 2009 (damals wurden rund 250 Fans von der Polizei eingekesselt) ist es von Seiten der Polizei ohnehin ruhiger geworden. Auch wenn sich einige Polizisten weiter darum reißen, in die Hundertschaft zu kommen, um mal ordentlich auszuteilen.

Hooligans und Szenekundige Beamten (SKB) kennen sich zum Teil seit Jahren. Wie nah dran sind diese Polizisten?

B.: Es gibt SKB, mit denen man reden kann. Manche haben auch einen sehr engen Kontakt zur Szene. Aber sie werden niemals verhindern, dass es Hooligans gibt und auch die Wald und Wiesen-Schlägereien werden sie nie unterbinden. Vielmehr sollte die Polizei doch froh sein, dass es das gibt. Früher wären Horden von Fans durch die Altstadt gezogen und hätten alles kaputtgeschlagen. Was ist da besser?

Wie ist das Verhältnis der Hooligans zum Verein?

B.: Finanzvorstand Paul Jäger war bei mir mal Kunde. Da unterhält man sich natürlich über alles Mögliche. Aber ich wurde nicht darauf angesprochen, was ich beim Fußball mache.

Eben dieser Paul Jäger hat nach dem Böllerwurf im Spiel gegen Osnabrück, bei dem Kameramänner verletzt wurden, den Problemfans jegliche Toleranz aufgekündigt.

B.: Jahrelang war der Verein sehr lasch mit den eigenen Fans. Das stimmt. Eine Ansage wie nach dem Böllerwurf gab es vorher noch nicht. Ich glaube, bei Jäger ist jetzt eine Schmerzgrenze erreicht. Jäger lebt Fortuna. Wobei er auch sehr sensibel für das Thema Hooligans ist. Wir sind ja auch mit die treuesten Fans.

War der tolerante Umgang mit den Problemfans ein Fehler?

B.: Nach Ausschreitungen und Festnahmen in Offenbach 2009 durften die Hooligans weiter ins Stadion gehen, damit man sie vielleicht besser im Blick hat. Stadionverbote werden doch ohnehin umgangen. Dann geht man in den Familienblock und gut ist. Ich hatte auch zehn Jahre Stadionverbot, aber habe es immer wieder umgangen.