Hinspielsiege in der Relegation und ihr Wert So beruhigend ist Fortunas Vorsprung – oder auch nicht

Düsseldorf · Noch nie seit Einführung der Relegation 1982 hat eine Mannschaft einen Drei-Tore-Vorsprung in Partie zwei noch verspielt.

Fortuna reichte 2012 ein 2:1-Erfolg im Hinspiel bei Hertha BSC. Hier Düsseldorfs Trainer Norbert Meier beim Rückspiel, das 2:2 endete.

Foto: dpa/Marius Becker

Ein Schritt ist noch zu gehen am Montagabend. Um 20.30 Uhr wird der erfahrene Schiedsrichter Deniz Aytekin das Rückspiel der Bundesliga-Relegation in der Düsseldorfer Arena anpfeifen – und wenn Fortuna gewinnt, unentschieden spielt oder zumindest nicht höher als mit zwei Treffern Differenz gegen den VfL Bochum verliert, wäre der Aufstieg perfekt.

In diese vermeintlich komfortable Ausgangsposition hat sich der Dritte der Zweitliga-Abschlusstabelle mit dem 3:0-Sieg am vergangenen Donnerstag an der Castroper Straße gebracht. Es hätte sogar noch deutlicher ausgehen können am Ende, als die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune unter anderem durch Felix Klaus und Christos Tzolis klare Chancen auf ein 4:0 oder 5:0 ausließ.

Aber auch ein 3:0 ist schon ein Wort, denn vor Beginn des Hinspiels beim Bundesliga-Drittletzten hätte wahrscheinlich die große Mehrzahl der Düsseldorfer Anhänger sogar ein Unentschieden sofort unterschrieben, mindestens aber einen ganz knappen Sieg ihres Teams. Schließlich reichte bei Fortunas erstem Versuch in einer Relegation vor genau einem Dutzend Jahren ein 2:1-Erfolg im Hinspiel bei Hertha BSC letztlich für den Aufstieg, da die Rot-Weißen zu Hause ein 2:2 über die Zeit brachten.

Wie sicher, wie verlässlich ist nun aber dieses 3:0? Wir haben einmal in den Archiven des deutschen Fußballs geblättert, um einen historischen Vergleich anzustellen.

Das wichtigste Recherche-Ergebnis vorweg: Noch nie seit Einführung der Relegation im Jahr 1982 hat eine Mannschaft, die das Hinspiel mit drei oder mehr Treffern Differenz gewann, diesen Vorsprung in Partie zwei verspielt.

Nur zweimal gab es bisher exakt diese Ausgangslage. 2009, im Jahr der Wiedereinführung der Relegation zur Bundesliga nach 18 Jahren Pause, gewann der damalige Zweitligist 1. FC Nürnberg 3:0 beim klassenhöheren FC Energie Cottbus – und legte im Rückspiel noch einen 2:0-Sieg vor eigenem Publikum nach. In der Vorsaison war es Bundesligist VfB Stuttgart, der mit einer 3:0-Vorgabe ins Rückspiel beim Hamburger SV ging und auch an der Alster 3:1 gewann.

Noch höher siegte bislang niemand in Runde eins. In der „kleinen“ Relegation zur Zweiten Liga indes schon, als im Vorjahr der damalige Drittligist SV Wehen Wiesbaden ein 4:0 gegen Arminia Bielefeld vorlegte. Das reichte dicke, denn die Hessen schoben in Ostwestfalen einen 2:1-Sieg hinterher.

Die nächsthöhere Variante gönnte sich 2021 ebenfalls ein Drittligist: Der FC Ingolstadt setzte sich zu Hause gegen den VfL Osnabrück 3:0 durch, musste im Rückspiel jedoch bei seiner 1:3-Niederlage ordentlich zittern, bis er den Platz der Lila-Weißen in der Zweiten Liga eingenommen hatte.

Fazit: Fortunas 3:0 ist mit Blick auf die Relegations-Historie beruhigend, weil dieses Resultat bislang immer ausreichte. Vorsicht ist dennoch geboten, denn der Fußball schreibt bekanntlich gern immer neue verrückte Geschichten. Und einmal in der Geschichte stolperte schließlich doch ein Klub trotz deutlicher Vorleistung – nur war das vor der Einführung der heute üblichen Relegation.

Als Arminia Bielefeld
ein 4:0-Sieg nicht reichte

In der Saison 1976/77 gab es noch zwei Zweitliga-Staffeln, Nord und Süd genannt. Die beiden Meister stiegen direkt in die Bundesliga auf, die beiden Zweiten ermittelten in Hin- und Rückspiel den dritten Aufsteiger. So trafen vor 47 Jahren Arminia Bielefeld und der TSV 1860 München aufeinander, und Arminia gewann das erste Spiel auf der heimischen „Alm“ 4:0. Das reichte jedoch nicht, da die „Löwen“ in Partie zwei mit 4:0 konterten und das seinerzeit übliche entscheidende dritte Spiel 2:0 gewannen und aufstiegen.

Stichwort Bielefeld: Etliche Jahre später schrieben die Ostwestfalen zum wiederholten Male Relegationsgeschichte, als sie 2014 (übrigens mit dem ehemaligen Fortuna-Trainer Norbert Meier) als favorisierter Zweitligist beim Drittliga-Dritten SV Darmstadt 98 scheinbar sicher 3:1 gewannen. Im Rückspiel vor eigenem Publikum stellte Meiers Team jedoch einen Relegations-Rekord im Vorsprung-Verspielen auf, verlor 2:4 nach Verlängerung und stieg nach der damals noch üblichen Auswärtstorregel ab.

Letztere gibt es heutzutage nicht mehr. Es wäre also egal, ob der VfL Bochum am Montag nun 3:0, 4:1 oder 5:2 gewänne: Es stünde in jedem dieser Fälle eine Verlängerung und gegebenenfalls ein Elfmeterschießen an. Aber ob Fortuna auf eigener Scholle, vor mehr als 45 000 rot-weißen Fans, wirklich ihren klaren Vorsprung verspielen könnte? Am Montagabend werden wir alle die Antwort darauf wissen.