Heftige Nachwehen: Fragen an Neid - Prinz reagiert

Wolfsburg (dpa) - Der bittere WM-Abschied der deutschen Fußball- Frauen hinterlässt heftige Nachwehen, ein Ende der Debatte um die Konsequenzen ist noch nicht abzusehen.

Silvia Neid will sich nach der sportlich verpatzten Heim-Weltmeisterschaft Zeit für eine Analyse nehmen und sieht keinen Anlass für einen großen Umbruch. Doch die Kritik an der Bundestrainerin wächst und kommt erstmals aus den eigenen DFB-Reihen. „Letztlich muss sich auch Silvia Neid bestimmte Fragen gefallen lassen“, sagte Rolf Hocke, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes.

Neid selbst will das Viertelfinalaus erst in „in ein, zwei Wochen Revue passieren lassen“, die Ursachenforschung ist aber ist schon in vollem Gange. Am Montag sah sich die zuletzt von Neid nicht mehr berücksichtigte Birgit Prinz veranlasst, ihrem eigenen Vater zu widersprechen, der Neid die alleinige Schuld am WM-Scheitern gegeben hatte. „Es ist nicht richtig, jetzt einer Person die Schuld zu geben“, sagte Prinz in einer über den Deutschen Fußball-Bund verbreiteten Erklärung.

Dennoch steht Neid als Chefin der gescheiterten deutschen Titel-Mission zunehmend in der Kritik. „Sie muss sich auch langfristig fragen, wie sie das Boot wieder ins Fahrwasser bekommt“, sagte Siegfried Dietrich, Manager des Bundesligisten 1. FFC Frankfurt. Dass der zweimalige Weltmeister nun auch bei Olympia 2012 in London fehlt, hält nicht nur der Potsdamer Meistertrainer Bernd Schröder für „ganz schlimm, weil es nicht unserer Stellung im Frauenfußball entspricht“.

Vom Verband sei durch die terminliche Verschiebung der Bundesliga „alles nur Mögliche für ein erfolgreiches Abschneiden getan“ worden, bemerkte DFB-Vize Hocke. „Dass da am Ende nichts Zählbares rausgekommen ist, ist eine Enttäuschung - das ist sogar beängstigend“, betonte der Leiter des Frankfurter WM-Büros in der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“.

Sorgen um ihre eigene Zukunft muss sich Neid allerdings trotz erstmals verpasster Olympiaqualifikation wohl kaum machen, Unterstützung erhält sie von höchster Stelle. „Wenn sie will, kann sie noch bis 2020 bleiben“, sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger und versuchte damit eine mögliche Trainerinnen-Debatte im Keim zu ersticken. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkte der Bundestrainerin nach dem WM-Aus mit einem Telefonat den Rücken.

Dass Zwanziger vor der WM stolz den neuen Kontrakt mit der 47-Jährigen bis 2016 verkündet hatte, wird in der Szene allerdings mit Argwohn betrachtet. „Es wäre zu einfach, Neid die ganze Schuld am Scheitern zu geben“, meinte Schröder. „Doch es war vom DFB auch nicht nötig, ihren Vertrag vor der WM ohne Not zu verlängern.“

Neid selbst hatte betont, dass sie sich „eigentlich gar keinen Vorwurf“ mache. Auch zu einer umfassenden Korrektur ihres Kurses und zu einem größeren Umbruch im Team sieht die 47-Jährige keinen Notwendigkeit. „Wir müssen keinen großen Neuaufbau machen. Unsere Mannschaft ist relativ jung, hat ein Durchschnittsalter von 26“, erklärte Neid.

Bislang ist nur sicher, das Prinz (33 Jahre) und Ariane Hingst (31) ihre internationalen Karrieren beendeten. Inka Grings (32) mochte in der ersten Enttäuschung noch keinen Gedanken an ihre Zukunft daran verschwenden. Die gleich alte Torhüterin Nadine Angerer hat sich dagegen schon festgelegt, will so auf keinen Fall abtreten: „Ich denke nicht ans Aufhören, jetzt erst recht nicht.“

Neid habe „von Anfang an versucht, junge und ältere Spielerinnen gegeneinander auszuspielen und hat dadurch die Spielerinnen sehr verunsichert“, erklärte Vater Prinz derweil dem Hörfunksender „hr1“ und forderte die Bundestrainerin zum Rücktritt auf. „Es wäre nicht mein Stil, mich öffentlich so zu äußern, und ich finde es inhaltlich auch falsch, die Dinge so undifferenziert darzustellen“, erwiderte die aus der Nationalmannschaft zurückgetretene Prinz, bisher Spielführerin des DFB-Teams.

Wie sich der plötzlich entfachte und mit dem WM-Aus jäh gestoppte Boom um den deutschen Frauen-Fußball auf den bislang grauen Alltag in der Bundesliga auswirkt, bleibt noch ungewiss. „Das wird schon 'ne schwierige Kiste, wenn ich daran denke, dass wieder nur 1000, 2000 Leute kommen. Was wir jetzt erlebt haben, wird ja nicht zu toppen sein“, sagte Linda Bresonik. Die Nationalspielerin vom FCR 2001 Duisburg, ahnt bereits, wie schwer sich der Boom umsetzen lassen wird: „Das ist schon ein hartes Stück Arbeit.“

Potsdams Coach Schröder hat gerade bei den Nationalspielerinnen Bedenken: „Einige Spielerinnen hatten sich schon vorgestellt, groß rauszukommen. Damit muss man jetzt umgehen.“