Kampf um EM-Plätze gestartet: Nachwuchs macht Druck

Kamen-Kaiserau (dpa) - Die Idylle in der beschaulich gelegenen Sportschule Kaiserau trügt. Nadine Angerer stöhnt schon nach der ersten Trainingseinheit beim EM-Casting der deutschen Fußballerinnen über Muskelkater.

„Ich bin ganz schön kaputt“, verrät die deutsche Torfrau, die sich trotz der Vorbereitungsschinderei auf die EM in Schweden freut. „Dass man vorher hart arbeitet, gehört halt dazu.“

Die 33 Jahre alte Nationaltorhüterin ist mittlerweile die älteste Spielerin im DFB-Team - und nach wie vor die „Gute-Laune-Tante“. Akribisch stapelt Angerer vor Beginn der zweiten Übungseinheit am Montag Bälle zu einer Pyramide und wirft Torwarttrainer Michael Fuchs böse Blicke zu, als er das kleine Kunstwerk aus Unachtsamkeit wieder zerstört. „Mann, pass' doch auf!“

Trotz aller Lockerheit geht es auf dem Trainingsplatz zielstrebig zu. Gut zwei Stunden schuften 26 Auserwählte unter der Leitung von Cheftrainerin Silvia Neid auf dem gepflegten Rasen. Bei Sonne und frühlingshaften Temperaturen fließt der Schweiß.

Aus dem erweiterten EM-Kader fehlen beim ersten Lehrgang (bis 8. Juni) im westfälischen Kamen nur Anja Mittag, die noch in der schwedischen Liga für den FC Malmö gefordert ist, und die nachnominierte Sara Däbritz. Die erst 18 Jahre alte Freiburgerin - die Jüngste im Kader - muss in der Schule noch Prüfungen bewältigen, bevor sie zum zweiten Lehrgang in Essen und Paderborn (12. bis 20. Juni) zur Mannschaft stößt.

Wie wichtig Neid nach der bitteren WM-Pleite das kontinentale Kräftemessen in Schweden (10. bis 28. Juli) ist, zeigt die Entscheidung, Alexandra Popp wieder nach Hause zu schicken. Der Star der U 20-WM von 2010 war angeschlagen zum Gesundheitscheck und Fitnesstest am Sonntag angereist. Zwar gewann Popp - vermutlich mit schmerzstillenden Spritzen - trotz eines frischen Bänderrisses im Sprunggelenk mit dem VfL Wolfsburg vor knapp zwei Wochen noch das Champions-League-Finale gegen Lyon.

Doch für die Anforderungen bei einem großen Turnier reicht es nicht. „Sie braucht jetzt eine Pause. Der Fuß wird nun erstmal für vier Wochen ruhiggestellt. Poppi muss sich von Grund auf erneuern“, erläuterte Neid den Verzicht auf die Stürmerin. „Schließlich haben wir auch eine Verantwortung gegenüber den Spielerinnen.“

Für Popp, die verletzte Viola Odebrecht und die am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankte Verena Faißt erhalten andere die Chance, ein Schweden-Ticket zu ergattern. Von den 28 EM-Kandidatinnen - darunter vier Torfrauen - werden nach den Testspielen in Essen gegen Schottland (15. Juni) und in Paderborn gegen Kanada (19. Juni) fünf gestrichen. Die Nominierung des 23er Aufgebots erfolgt am 20. Juni.

Den letzten Lehrgang in München (24. Juni bis 3. Juli) und den Abschlusstest gegen Weltmeister Japan in der Allianz Arena (29. Juni) will Neid schon mit dem endgültigen EM-Kader bestreiten. Am 7. Juli bricht das Team zum ersten Spielort Växjö auf.

Gut sieht es für die Rekonvaleszentinnen Lira Bajramaj und Simone Laudehr aus. Zwar haben beide nach langen Verletzungen noch etwas Rückstand. „Aber ich habe einen guten Eindruck von ihnen. Wenn sie in Bestform sind, brauchen wir sie dringend“, ergänzte Neid, die ungern auf weitere Routiniers verzichten würde. Denn aus dem WM-Kader von 2011 sind nach Rücktritten von Stars wie Birgit Prinz, Kerstin Garefrekes, Inka Grings oder Martina Müller nur noch 13 Spielerinnen übrig.

Gleichwohl braucht man sich um den Titelverteidiger nicht zu sorgen. Längst drängen große Talente wie die 19-jährigen Melanie Leupolz (Freiburg) und Lena Lotzen (FC Bayern) sowie die ein Jahr älteren Jennifer Cramer (Potsdam) und Leonie Maier (Bad Neuenahr) nach vorn. „Ich bin überrascht, wie gut es in den letzten Monaten für mich gelaufen ist“, meint die Rechtsverteidigerin, die ihr Ziel klar vor Augen hat: „Ich will natürlich bei der EM dabei sein.“