Neid schickt junge Wilde ins EM-Titelrennen
Düsseldorf (dpa) - Mit der jüngsten Mannschaft der Geschichte greift die deutsche Frauen-Auswahl bei der Europameisterschaft in Schweden nach dem sechsten Titel hintereinander.
Wegen zahlreicher Ausfälle etablierter Spielerinnen macht Bundestrainerin Silvia Neid aus der Not eine Tugend. Beim kontinentalen Turnier vom 10. bis 28. Juli muss sich nun ein sehr junger Kader mit einem Durchschnittsalter von 23,5 Jahren beweisen.
Verena Faißt, Viola Odebrecht, Alexandra Popp, Linda Bresonik und Kim Kulig, Babett Peter - in der EM-Vorbereitung fielen reihenweise Leistungsträgerinnen aus und mussten ihren EM-Traum begraben. „Ich habe schon vieles erlebt, aber nicht, dass wir über eineinhalb Jahre immer wieder verletzte Spielerinnen haben, immer wieder neu improvisieren müssen, weil wir nie auf alle zurückgreifen können. Das hat sich leider in der EM-Vorbereitung fortgesetzt“, sagt Neid, die fast täglich eine neue Absage verkraften musste. Dennoch ist sie sicher: „Deutschland ist immer Favorit.“
Doch nach dem Motto „Jammern hilft nicht“ hakten die 49-jährige Chefin und ihr Trainerteam die schlechten Nachrichten schnell ab. „Wir müssen mit der Situation leben und umgehen. Nun müssen wir die Spielerinnen, die wir haben, stark machen, intensiv arbeiten und noch enger zusammenrücken. Denn wir wollen soweit wie möglich kommen und möglichst etwas gewinnen“, betont Neid.
Durch die Rücktritte zahlreicher Akteurinnen aus der Generation von Birgit Prinz wurde nach der Unglücks-WM 2011 der große personelle Umbruch eingeleitet. Laut Neid sei man mit dem Prozess „sehr zufrieden“, er sei „aber längst noch nicht abgeschlossen“.
Nach den Testspiel-Erfolgen gegen Schottland (3:0) und Kanada (1:0) berief die Bundestrainerin 23 Spielerinnen, darunter drei Torfrauen, in den EM-Kader. Küken im Aufgebot ist die Freiburgerin Sara Däbritz mit gerade 18 Jahren. Fast doppelt so alt ist die deutsche Nummer eins, Nadine Angerer. Die Doppelweltmeisterin von 2003 und 2007 wird im November 35, hat mit 117 Länderspielen die größte Erfahrung und kommt sich vor wie „die Mutter der Kompanie“.
„Ich finde, wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen mit großem Potenzial“, bekräftigt Innenverteidigerin Annike Krahn, die bereits die Viertälteste ist. Neben Angerer hat nur noch Krahns Abwehrkollegin Saskia Bartusiak die 30 überschritten. Acht Spielerinnen sind 21 Jahre oder jünger.
Talente wie das Freiburger Trio mit der vielseitigen Leonie Maier (20 Jahre), die gegen Kanada das Siegtor erzielte, Torhüterin Laura Benkarth (20) und Melanie Leupolz (19), Lena Lotzen (19/München) sowie Jennifer Cramer (20/Potsdam) drängen nach vorn und wirbeln die Hierarchie gehörig durcheinander.
Etablierte wie Toptorjägerin Celia Okoyino da Mbabi, auch erst 24 und beim WM-Titel 2007 selbst noch Lehrling, oder die nach langen Verletzungspausen zurückgekehrten Fatmire „Lira“ Bajramaj (25) und Simone Laudehr (26) müssen längst Führungsrollen im Team übernehmen. „Ich gehöre ja jetzt schon zu den Älteren“, räumt Bajramaj lächelnd ein. „Wir nehmen die Jüngeren auf und zeigen ihnen, wie das Niveau bei uns ist.“ Manchmal sei der Nachwuchs noch „sehr aufgeregt“.
Letztlich können alle von dem Jugendtrend profitieren, zumal die Stimmung im Kader ungleich besser ist als 2011. „Ich habe sehr viel Freude mit den jungen Spielerinnen, weil sie sehr lernwillig sind und den unbedingten Willen haben, ins Team zu kommen und sich weiterzuentwickeln“, sagt Neid. Und Bajramaj betont: „Wir haben viel Spaß miteinander und verstehen uns alle wirklich sehr gut.“