Gestürzter Blatter fühlte sich von Gott verlassen

Zürich (dpa) - Die FIFA hat in ihrem brandneuen Fußball-Museum das Kapitel Blatter schon für beendet erklärt. Über dem Konterfei des Dauer-Präsidenten strahlt ein Leuchter wie die Sonne in einem barocken Gemälde.

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Die Zahlen darunter lassen keinen Zweifel: (1998-2016).

Rechts daneben ist die noch leere Tafel für den nächsten Weltverbandschef schon installiert. Die Ära Blatter ist am Freitag offiziell vorbei - und das ohne den ersehnten großen Abschied.

Der juristische Sieg am Mittwoch war für Blatter nur die nächste bittere Niederlage. Die Reduzierung seiner Sperre von acht auf sechs Jahre durch die Berufungskommission der FIFA war für den gestürzten Weltverbands-Chef nur zwei Tage vor der Wahl seines Nachfolgers nutzlos. Der Auftritt beim außerordentlichen Kongress am Freitag in Zürich bleibt dem 79-Jährigen verwehrt. Denn der Vorwurf des Verstoßes gegen gleich mehrere Ethikregeln als solcher bleibt bestehen.

Als die FIFA im Januar in Zürich ihre Ballon-d'Or-Gala feierte, lud ihn seine Tochter Corinne nach Bern zum Abendessen ein. Ihr Vater sollte im Familienkreis abgelenkt werden. Welches Programm der Blatter-Clan für das gekränkte Oberhaupt am Freitag geplant hat, ist noch nicht bekannt. In der Kongressstadt wird er voraussichtlich nicht sein.

Sein großer Wunsch, bei dem außerordentlichen FIFA-Kongress umjubelt abzutreten, wird nicht in Erfüllung gehen. „Ich habe davon geträumt, dass man mir auf einem Kongress 'Auf Wiedersehen' sagt“, erzählte Blatter in einem Interview der französischen Sportzeitung „L'Équipe“ (Mittwoch). Die Hoffnung auf einen Titel als FIFA-Ehrenpräsident oder gar den Friedensnobelpreis ist auch perdu.

Es wäre alles anders gekommen, wenn im Dezember 2010 nicht Katar, sondern die USA zum WM-Gastgeber 2022 gekürt worden wäre, meint Blatter. Die Ermittlungen der US-Justiz nimmt er weiter persönlich. „Die Amerikaner hätten keinen Grund gehabt, die FIFA zu attackieren, weil sie ihre WM gehabt hätten. Und ich hätte die letzten vier Jahre meiner Amtszeit in Ruhe zu Ende gebracht.“

Ruhe herrscht auf dem Zürichberg im FIFA-Hauptquartier schon lange nicht mehr. Blatter berichtete von freundlichen Abschiedsbotschaften vieler Mitarbeiter. Seit der Verbannung des Chefs herrscht beim Weltverband aber auch eine gewisse Form der Erleichterung, als hätte sich der Muff des alten Regimes mit dem teils geduldeten, teils kultivierten Prinzip der Kumpanei und Vorteilsnahme verflüchtigt. Pragmatiker wie der deutsche Finanzchef Markus Kattner oder Rechtsexperte Marco Villiger haben das Interimskommando übernommen.

Dass das Ende seiner Regentschaft bevorstand, habe er nach den Aussagen von US-Chefanklägerin Loretta Lynch verstanden. Sie hatte der FIFA Mafia-Strukturen attestiert. „Physische Angst“ habe er gehabt. Mit seiner Rücktrittsankündigung am 2. Juni nur vier Tage nach seiner Wiederwahl im Mai 2015 habe er aber nicht sich retten wollen, sondern die FIFA. Bei der Verhaftung mehrerer Funktionäre eine Woche zuvor habe man ihm in der Weltverbandszentrale zugeraunt: „Achtung, Blatter. Du bist der nächste.“ Da habe er das Gefühl gehabt: „Auch der liebe Gott hat mich verlassen.“

Noch liegt der Einspruch Blatters gegen seinen im Dezember ausgesprochenen Acht-Jahre-Bann wegen der dubiosen Millionenzahlung an den ebenfalls gesperrten UEFA-Boss Michel Platini bei der FIFA-Berufungskommission. Der Gang zum Sportgerichtshof CAS ist angekündigt. Schlagzeilen wird Blatter also auch in den kommenden Wochen produzieren. Noch im Februar und damit vor seinem 80. Geburtstag am 10. März soll seine Biografie „Sepp Blatter: Mission Football“ mit Fotos und Anekdoten aus 40 FIFA-Jahren erscheinen.

Für Skurriles war Blatter besonders im Herbst seiner Regentschaft bekannt. In seinem Büro standen Gartenzwerge. Beim Kongress in São Paulo 2014 schwadronierte er über intergalaktische Fußballspiele im All. Regelmäßig berichtet er zudem über Konversationen mit seinen verstorbenen Eltern. „Es ist wahr. Ich flüstere an ihrem Grab. Jetzt ist mein Vater ruhiger, aber meine Mutter macht mir immer noch Vorhaltungen. Manchmal lächelt sie. Wenn ich ironisch bin, sagte sie mir oft: „Manchmal sollte man den Mund halten!““