Holger Stanislawski: Hoffenheims Hoffnungsträger

Der neue Trainer Holger Stanislawski über das Kollektiv, Kaffee und die badische Provinz.

Hoffenheim. Demnächst will er umziehen. Raus aus dem Hotel, rein vielleicht sogar in eine für seine Wahlheimat so typische Einliegerwohnung in einem Zweifamilienwohnhaus. Holger Stanislawski, der neue Trainer der TSG Hoffenheim, rechnet fest damit, seinen Dreijahresvertrag bei den 1899ern erfüllen zu können. Für den Hamburger Jungen bietet die entlegene badische Provinz einen Riesenschritt in der Karriere, nachdem er seine 41 Lebensjahre sportlich stets in Hamburg verbracht hat.

Holger Stanislawski: Drei Liter täglich, da kann und will ich gar nicht von lassen. Selbst abends um elf bestelle ich mir noch eine Kanne aufs Hotelzimmer.

Das sorgt ja für ruhige Nächte.

Stanislawski: Ich schlafe wie ein Baby, keine Sorge.

Den Kulturschock haben Sie auch schon überwunden?

Stanislawski: Kulturschock ist das falsche Wort. Ich bin hierhergekommen, um meinen Job auszuüben, und das war in Hamburg nicht anders. Logisch bin ich ein Hamburger, aber in Hoffenheim gut angekommen. Letztlich war es ja mein Wunsch, mal rauszukommen. Wenn ich hier ab und an über die Dörfer fahre, durch die Ortschaften, dann finde ich die Landschaft schon ziemlich schön.

Und wie auf St. Pauli sind Sie auch bei der TSG Hoffenheim bei einem Klub, wo Sie der Star sind, wo der Trainer für die Mannschaft steht.

Stanislawski: Die Sache mit der Symbolfigur, klar — kann gut sein, aber meine Absicht ist das nicht. Ich bin so, wie ich bin, das weiß auch die Mannschaft, bei der ich auch mal für einen Schnack zu haben bin. Und andersherum pöble ich Zuschauer an, wenn sie dummes Zeug erzählen (lacht). Ich habe eine klare Linie, opfere Stars dem funktionierenden Kollektiv, bin sicher gut greifbar, die Truppe kann mir vertrauen. Das soll schon passen mit den Jungs und dem Alten da vorne, ich bin nur ein kleiner Mosaikstein.

Kurioserweise sind Sie auch von einem richtig schlechten Rückrunden-Team zu einem anderen richtig schlechten Rückrunden-Team gewechselt.

Stanislawski: Mit St. Pauli hatten wir die Rückrunde doch noch ganz gut angegangen, den HSV besiegt. aber dann ging es plötzlich bergab, aus unterschiedlichsten Gründen. Die tragenden Säulen im Team sind weggebrochen. Und gegen diese Negativspirale kam ich nicht mehr an.

Und bei Hoffenheim?

Stanislawski: Hier dagegen liegt das Problem im größten Erfolg des Vereins, der Herbstmeisterschaft von 2008/09. Da dachten die Jungs offenbar, sie könnten immer so und einfach so oben mitspielen, es ginge immer so positiv weiter. Aus dieser Situation hat sich ein Trauma entwickelt, eine Lethargie, eine enorme Belastung, deswegen bedarf es vor allem eines geistigen Umbruchs.

Wie kann so ein geistiger Umbruch gelingen?

Stanislawski: Ich predige gerade deshalb das Kollektiv, manche im Team hatten sich zuletzt zu sehr auf ihre oft genug gelobten Einzelqualitäten verlassen. Obwohl, einen Kerl wie Ryan Babel zu sehen, wenn der im Training antritt, ohne ihn extra hervorheben zu wollen, das ist gegenüber vielen Fußballern wie ICE gegen Regionalbahn.

Also ist mit der TSG Hoffenheim, deren Gekicke zuletzt kaum mehr anzusehen war, nun wieder zu rechnen?

Stanislawski: Das Gute ist, auch für mich, dass die Spieler selbst ein solch träges Spieljahr wie das letzte nicht mehr erleben wollen und schon deshalb super mitziehen. In einem guten Jahr, ich meine einem Jahr ohne schwere Ausfälle, wollen wir die Top 6 anpeilen und oben reinpieksen. So weit dürften wir jetzt aber noch nicht sein. Denn obwohl sich die Mannschaft kaum verändert hat, befindet sie sich momentan in einem gewaltigen Umbruch.