Ärger um Suárez: „Tag der Schande“ für den Fußball

Manchester (dpa) - So entrüstet hat man Sir Alex Ferguson selten gesehen. Die Trainer-Ikone von Manchester United beschimpfte Luis Suárez als „Schande für den FC Liverpool“ und empfahl dem Erzrivalen, den Stürmer „loszuwerden“.

Was sich beim Premier-League-Klassiker United gegen Liverpool abspielte, war peinlich für den englischen Fußball. Und Auslöser wieder „Enfant Terrible“ Suárez. Der Uruguayer verweigerte ManUs Patrice Evra, den er im Hinspiel rassistisch beleidigt haben soll, den Handschlag. „Das hätte Randale auslösen können“, sagte Ferguson. In der Pause gab es im Spielertunnel Tumulte, Polizisten schritten ein. Dass United die „Schlacht im Old Trafford“ („Observer“) dank Wayne Rooney 2:1 gewann, geriet zur Nebensache.

Nachdem Suárez nach dem Hinspiel-Eklat eine Acht-Spiele-Sperre aufgebrummt bekommen hatte, traf er erstmals wieder auf Evra. Und ignorierte den dunkelhäutigen Franzosen beim traditionellen Handshake einfach. Dieser wiederum packte Suárez am Arm - und der Nächste in der Reihe, Uniteds Rio Ferdinand, zog Suárez kurzerhand seine Hand weg. „Ich habe allen Respekt vor diesem Kerl verloren“, sagte Ferdinand. Auch er ist dunkelhäutig. Sein Bruder Anton ist das mutmaßliche Rassismus-Opfer des abgesetzten englischen Kapitäns John Terry.

Suárez' Aktion vergiftete die Atmosphäre. „Dieser bestimmte Spieler sollte nie wieder für Liverpool spielen dürfen“, forderte Ferguson. Suárez fühlte sich missverstanden, wie er sich schon zuvor zu Unrecht verurteilt fühlte. „Ich bin enttäuscht, weil alles nicht so ist, wie es scheint“, twitterte er. Der 25-Jährige überstand in Old Trafford einen Spießrutenlauf. Uniteds satirisches Fanmagazin „Red Issue“ zeigte eine Maske im Ku-Klux-Klan-Stil mit den Worten: „Suárez ist unschuldig“. 7500 Hefte davon beschlagnahmte die Polizei.

Fragwürdige Rückendeckung bekam Suárez dann noch von Trainer Kenny Dalglish: Dieser tat im TV-Interview so, als habe er die Szene nicht gesehen und schob dann grantig die Schuld auf die Medien. Der „Sunday Telegraph“ schrieb vom „jüngsten PR-Desaster“ des Vereins.

Am Sonntag ruderte Suárez mit einem Statement auf der Club-Homepage unter dem Titel „I'm sorry“ zurück: „Ich hätte Patrice Evras Hand schütteln sollen und entschuldige mich für meine Aktionen.“ Er habe den Coach und den Club im Stich gelassen. „Ich möchte die ganze Sache nun hinter mir lassen und mich aufs Fußballspielen konzentrieren.“

Auf dem Rasen glänzte Rooney, der mit einem Doppelschlag (47./50.) seine Saisontore 16 und 17 erzielte. Ausgerechnet Suárez (80.) verkürzte. Nach dem Abpfiff baute sich Evra mit gereckten Jubelarmen provozierend vor dem Südamerikaner auf. Ferguson nahm auch den eigenen Mann in die Pflicht: „Das hätte er nicht tun sollen.“

Und wie geht's weiter? „In diesem Land ist der Fußball einen langen Weg gegangen seit den Tagen, als Bananen auf John Barnes geworfen wurden. Wir können nicht zurückgehen“, warnte Ferguson. Gordon Taylor, Chef der Spielerorganisation PFA, hält die jüngste „Respekt“-Kampagne durch Suárez' Aktion für „zerfetzt“. „Das können wir nicht ignorieren, wenn wir mit unserem Kampf gegen Rassismus erfolgreich sein wollen.“

Sogar Boris Becker mischte sich via Twitter ein: „Was stimmt mit Suárez nicht? Lehrt ihn niemand das Einmaleins in Sachen Respekt, Fair Play im Fußball?“ Das Abschneiden seines Lieblingsclubs kommentierte er nicht: Der FC Chelsea blamierte sich mit 0:2 in Everton und rutschte durch Arsenals 2:1-Sieg beim AFC Sunderland aus den Top-Vier.