Anschi plant Umbruch: Jugend statt teure Fußballstars
Moskau (dpa) - Der millionenschwere Angriff des russischen Erstligisten Anschi Machatschkala auf Europas Fußball-Thron ist offenbar schneller vorbei als geplant.
Junge Talente statt teurer Superstars - der Club aus dem Konfliktgebiet Nordkaukasus plant einen massiven Umbruch. Dabei warf Anschi noch vor kurzem mit den Millionen von Vereinspräsident und Oligarch Sulejman Kerimow um sich.
Nun stellt Anschi alles auf Anfang, das zeigt schon ein Blick auf die Trainerbank: Dort sitzt künftig Gadschi Gadschijew, bereits früher in Diensten des Clubs, statt des namhaften Guus Hiddink. Gerade der überraschende Abgang des Niederländers gilt als Signal für eine Kehrtwende. Aufsichtsratschef Konstantin Remtschukow kündigte deutliche Kaderveränderungen an, die das Budget um stattliche 50 bis 70 Millionen US-Dollar entlasten würden.
Schon berichten Medien, dass die russischen Nationalspieler Igor Denissow und Alexander Kokorin bereits nach zwei Monaten wieder vor dem Absprung stünden. Angeblich wechseln sie gemeinsam mit Auswahlkollege Juri Schirkow zu Dynamo Moskau mit Ex-Bundesligaprofi Kevin Kuranyi. Es gebe riesige Konflikte mit den Legionären um Superstar Samuel Eto'o und den französischen Ex-Nationalspieler Lassana Diarra, schreibt die Zeitung „Iswestija“.
Ersatz will Anschi in seinen hochgelobten Nachwuchszentren finden, die der Verein zuletzt aufgebaut hat. Der Club betont, die neue Strategie solle auch dazu beitragen, das Financial Fairplay der UEFA umzusetzen, mit dem der Europäische Fußballverband künftig Finanzexzesse vermeiden will.
Doch Experten in Russland vermuten als Grund für den überraschenden Kursschwenk eher finanzielle Probleme von Anschis Präsident Kerimow, der seit seinem Amtsantritt im Januar 2011 mehr als 230 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben haben soll. So brachen in der vergangenen Woche die Aktien des Kaliherstellers Uralkali drastisch ein, bei dem Kerimow Hauptanteilseigner ist.
Zudem sind die Nebenkosten beim Fußballclub immens. Regelmäßig fliegt das Team aus dem sicheren Moskau, wo Anschi eine moderne Trainingsbasis betreibt, ins unruhige Machatschkala. Zu Europa-League-Spielen lässt Kerimow Hunderte Fans aus Dagestan im kostenlosen Charter in die Hauptstadt bringen. Schon sehen sich Kritiker bestätigt. Sie weisen auf große Gefahren hin, wenn sich Investoren Hals über Kopf aus dem Verein zurückziehen.
Dabei schien Anschis Märchen kaum zu stoppen. Von einem gigantischen Angebot für Weltfußballer Lionel Messi war die Rede. Eto'o ist mit angeblich 20 Millionen Euro Jahresgehalt einer der bestbezahlten Spieler der Welt. Auch ein neues Stadion spendierte Kerimow dem Club. Europas Fußball-Elite staunte über die Neureichen aus der Teilrepublik Dagestan am Kaspischen Meer. In der abgelaufenen Saison sorgte Anschi auch im Europapokal für Aufsehen, wurde Dritter in der Liga und erreichte im nationalen Pokal das Finale.
Aber schon in der Rückrunde stotterte der Motor, nur mit Mühe rettete sich Hiddinks Team über die Ziellinie. Erneut öffnete Kerimow seine Schatulle für Denissow (15 Millionen Euro) und Kokorin (19 Millionen). Bereits im Winter hatte Anschi 30 Millionen Euro für den Brasilianer Willian von Schachtjor Donezk ausgegeben.
Der Saisonbeginn aber verlief katastrophal. Nach vier Spielen hat Anschi magere zwei Punkte auf dem Konto. „Nach Analyse der sportlichen Ergebnisse der jüngsten Zeit hat sich die Führung von Anschi zur Entwicklung einer neuen langfristigen Strategie zur Entwicklung des Clubs entschieden“, betont der Verein nun.