Champagne kämpft weiter um FIFA-Kandidatur

Berlin (dpa) - Jérôme Champagne kämpft um seine Zulassung zur Wahl des FIFA-Präsidenten. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur warnt der Franzose vor einem „Krieg“ zwischen dem Weltverband und der UEFA, wittert politischen Druck auf die Verbände und hält nichts von einer „Anti-Blatter-Kampagne“.

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In den vergangenen Tagen gab es viel Bewegung im Wahlkampf um das Amt des FIFA-Präsidenten, unter anderem verkündete der Niederländer Michael van Praag seine Kandidatur. Was bedeutet das für Ihre Kampagne?

Champagne: Es wird immer wahrscheinlicher, dass wir eine Kampagne FIFA gegen UEFA bekommen werden. Es ist klar, dass die jüngsten Ankündigungen mit der Unterstützung der UEFA organisiert und vorbereitet wurden. Das macht mir Sorgen.

Weshalb?

Champagne: Ich habe versucht, in meiner Kampagne Reformen und den Kampf gegen Ungleichgewichte, aber auch Versöhnung anzustreben. In den letzten 20 Jahren haben sich die FIFA und UEFA bekämpft, das war sehr negativ für den Fußball. Wir können nicht akzeptieren, dass Westeuropa den Weltfußball kontrolliert. Aber wenn wir den Fußball verbessern wollen, muss die FIFA auch den westeuropäischen Fußball besser verstehen. Das Resultat ist nun, dass wir wahrscheinlich einen Krieg FIFA gegen UEFA bekommen werden. Es ist deshalb nicht einfach, für unabhängige Kandidaten wie mich, die keine Unterstützung von einer Institution haben.

Morgen endet die Frist für die Zulassung zur Wahl, dafür brauchen Sie die Unterstützung von fünf Verbänden. Wie ist der aktuelle Stand?

Champagne: Ich versuche, die Verbände zu überzeugen, aber es ist nicht einfach für sie. Ich hatte exzellente Gespräche mit europäischen Verbänden, die die zunehmende Dominanz der reichen Clubs stört. Viele Verbände wollen eine stärkere FIFA, um dieses Ungleichgewicht zu bekämpfen. Doch diese Verbände fühlen sich mehr und mehr in einer schwierigen Situation, weil sie Sorge haben, die UEFA zu verärgern.

Inwiefern?

Champagne: Einige Verbände fühlen sich unwohl, wenn sie sich gegen die Empfehlungen und die Orientierung ihres Kontinentalverbands wenden. Aber ich werde bis Donnerstag Mitternacht kämpfen, ich bin sehr nah an den fünf Unterstützern, aber noch nicht nah genug. Ich werde bis zum Ende kämpfen.

Wo kommen Ihre Unterstützer her?

Champagne: Dazu kann ich absolut nichts sagen. Ich habe den Verbänden, die mir schon Briefe geschrieben haben, versprochen, dass ich ihre Namen nicht preisgebe, wenn ich nicht fünf zusammen bekomme. Sie haben Angst. Einige Verbände bewerben sich um Wettbewerbe oder wollen ins Exekutivkomitee der UEFA oder FIFA. Sie haben Angst, dass sich ihre Position mit der Unterstützung für einen Kandidaten verschlechtert. Unter den Ländern, die sich für das UEFA-Exko bewerben, habe ich Freunde - aber sie sagen: Es tut uns leid, wir können dich nicht unterstützen, weil die UEFA sich dann gegen uns stellt. Es ist ein Problem des Systems.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach erwartet noch einen weiteren Kandidaten aus Europa. Was haben Sie gehört?

Champagne: Ich erwarte eine Anti-Blatter-Kampagne. Wir müssen etwas ändern, aber Anti-Blatterismus ist Demagogie.

Muss die Rolle von Blatter nicht kritisch gesehen werden?

Champagne: Alle fokussieren sich auf Blatter, Blatter, Blatter. Aber es ist eine kollektive Verantwortung des Exekutivkomitees der FIFA, da haben die Europäer ein Drittel der Stimmen - acht von 25. Es wird leider keine Kampagne um den Fußball geben, sondern gegen Blatter. Die wirklichen Probleme des Fußballs fallen unter den Tisch.

Was muss sich ändern?

Champagne: Wir können nicht akzeptieren, dass Westeuropa den Weltfußball kontrolliert. Was gut für Chelsea ist, ist nicht automatisch gut für Mainz 05 oder den Fußball in Botswana oder Bolivien. Wir brauchen einen Fußball, der mehr Balance hat. Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt 50 Prozent, wir haben die gleiche Situation im Fußball. Ich liebe Bayern München, ich habe sie sogar gegen die Kritik für ihren Besuch in Saudi-Arabien verteidigt. Aber wenn sie elf Punkte vor dem Zweitplatzierten in der Bundesliga liegen, haben wir ein Problem.

Die Kontinentalverbände von Asien, Afrika und Ozeanien haben bereits Ihre Unterstützung für Blatter angekündigt. Das wären schon mehr als die Hälfte der Stimmen. Ist das Rennen um die FIFA-Präsidentschaft nicht längst entschieden?

Champagne: Es ist absolut klar, dass Herr Blatter der großer Favorit ist. Auch viele, viele europäische Verbände unterstützen ihn, weil sie nicht glücklich mit dem sind, was passiert. Das Financial Fairplay der UEFA hat bislang nur kleine Verbände wie Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Mazedonien oder Serbien bestraft.

ZUR PERSON: Der Franzose Jérôme Champagne (56) war von 1999 bis 2010 als leitender Funktionär der FIFA tätig und ist heute Berater im internationalen Fußball.