DGB und DFB formieren sich gegen Katar
Berlin (dpa) - Mit einem ungewöhnlichen Doppelpass setzen sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar ein.
DGB-Chef Michael Sommer schickte einen Brief an die Gewerkschaftschefs jener Länder, aus denen die Mitglieder des Exekutivkomitees des Fußball-Weltverbandes FIFA kommen. Ziel der Aktion ist, dass die Gewerkschaften Einfluss auf die Fußball-Funktionäre nehmen. „Ich glaube, es liegt in unserer Verantwortung, den Druck auf das FIFA-Exekutivkomitee zu erhöhen, um schnelles und effektives Handeln zu erreichen. Es darf nicht sein, dass die WM in einem Land stattfindet, das seine Arbeiter wie Sklaven behandelt“, schrieb Sommer an seine Kollegen.
DFB-Präsident Niersbach bekräftigte seine WM-Kritik und nahm die FIFA erneut in die Verantwortung. „Das Thema belastet, es nervt, obwohl die WM erst in neun Jahren ist“, sagte Niersbach beim Oddset Talk des Hamburger Fußball-Verbandes. Gleichzeitig berichtete Niersbach von einem kommende Woche anstehenden Besuch von FIFA-Präsident Joseph Blatter beim Emir von Katar. „Blatter ist nächsten Samstag in Doha, auch um auf die Arbeitsbedingungen hinzuweisen.“
Die FIFA bestätigte den Termin ihres Präsidenten. Blatter fliegt zum Finale der U-17-WM in die Vereinigten Arabischen Emirate und nutzt diese Reise für einen Abstecher nach Doha. „Es werden alle Themen besprochen werden - auch die Menschenrechte“, hieß es vom Weltverband zu dem Treffen Blatters mit dem Emir. Für Gewerkschaftschef Sommer steht fest: 2011 habe die FIFA die WM vorschnell nach Katar vergeben. Die Entscheidung sei offenkundig auf fragwürdiger Basis getroffen worden. „Ich bitte Sie, ihren nationalen Fußball-Verband zu kontaktieren, um diesen über die unmenschlichen Bedingungen in Katar zu informieren und nach verstärktem Engagement zu streben, Katar die WM wieder wegzunehmen, sollten die Verantwortlichen nicht sofort wirkungsvolle Maßnahmen einleiten, um die Ausbeutung zu beenden und die fundamentalen Rechte der Arbeiter zu schützen“, betonte Sommer.
Der 61-Jährige verweist in seinem Aufruf auch auf die Unterstützung von Niersbach. Dieser werde sich direkt an die Bosse der entsprechenden Nationalverbände wenden. Bis zum 25. November erwartet Sommer eine Reaktion der Fußball-Verbände.
Niersbach betonte, dass nicht nur die Arbeitsbedingungen oder die große Hitze ein WM-Problem darstellen. „So viele Fragen hängen dran. 250 000 Menschen leben dort, ob es nun die Größe des Landes ist, es ist nicht nur die Hitze.“ Fest steht für Niersbach, dass für die überübernächste WM ein Termin im Winter gefunden werden muss. „Im Sommer kann nicht gespielt werden.“
Den DFB nahm Niersbach ausdrücklich aus der Schusslinie. „Wir sind nicht zuständig. Ich habe den Eindruck, dass wir das regeln sollen. Wir sind nicht mal qualifiziert, wir wissen nicht, ob wir da spielen. Die FIFA ist zuständig, die haben die Verträge.“
Die WM-Organisatoren von Katar sind schon seit Monaten unter Druck. Kritiker äußerten vehemente Zweifel am Vergabeverfahren und vermuten Korruption hinter dem Zuschlag für das Emirat. Zudem gibt es heftigen Streit um eine Verlegung der WM in die Wintermonate.
Die nächste Sitzung der FIFA-Exekutive findet am 4./5. Dezember in Salvador/Brasilien statt. „In maximal sechs Wochen“ wolle man laut Sommer die Ergebnisse der Aktion von DGB und DFB gesichtet haben. „Dann gehen wir auf die FIFA los“, sagte der DGB-Vorsitzende. In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ hatte Sommer beklagt, auf den WM-Baustellen werde weiterhin „gequält und gestorben“.
Schon beim DFB-Bundestag hatte Niersbach in der vergangenen Woche so klar wie nie zuvor Kritik an der WM 2022 geübt. „Die Vergabe an Katar zieht sehr problematische Kreise“, hatte Niersbach erklärt und das Turnier als „Belastung für den ganzen Fußball“ bezeichnet. Wie er sei auch der schwedische Fußballverbandschef von seinem nationalen Gewerkschaftsbund kontaktiert worden, um die Problematik der Arbeiterrechte in der Fußball-Welt zu thematisieren.
Niersbach betonte, erst durch Medienberichte von angeblich unwürdigen Arbeitsbedingungen erfahren zu haben. Sein Amtsvorgänger Theo Zwanziger hatte Niersbach zuvor mehrfach kritisiert, zu zurückhaltend in der Katar-Frage zu agieren. Zwanziger ist Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee und gilt dort als einer der größten Kritiker der WM am Golf.
Die FIFA müsse laut Sommer dafür sorgen, dass in Katar künftig die Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gelten. Dazu gehörten die Beseitigung von Diskriminierung und Zwangsarbeit sowie die Zulassung von Gewerkschaften. Vor wenigen Wochen hatten Medienberichte über eine menschenunwürdige Situation von Gastarbeitern auf den WM-Baustellen für Aufsehen gesorgt. Allein in diesem Sommer sollen 44 Arbeiter aus Nepal gestorben sein.