Ein Jahr nach WM in Südafrika: Der Stolz bleibt
Kapstadt (dpa) - Die Fußball-WM 2010 ist längst ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte Südafrikas. Ein Jahr danach gibt es zwar Streit über Aufwand und Ertrag. Aber stolz sind fast alle Südafrikaner.
Die WM hat viel für die Einheit und Identität der jungen Demokratie geleistet.
Ein Jahr nach der WM in Südafrika zieht jeder seine eigene Bilanz. „Es war schön, aber es hat gar nichts geändert“, meint Damiam Jikazana, Besitzer eines kleinen Souvenir-Ladens auf dem Greenmarket in Kapstadt. Der 47-Jährige aus dem Township Khayelitsha spricht aus, was viele in seinem Armenviertel denken. Sie hatten gehofft, die WM werde ein Startschuss für einen spürbaren sozialen Aufschwung und eine Verbesserung der Lebensbedingungen sein. Dies allerdings blieb aus.
Trotzdem sind viele Südafrikaner zufrieden: „Der großartige Erfolg der WM 2010 hat der Welt gezeigt, zu welchen Glanztaten wir Südafrikaner fähig sind“, sagte sogar Ex-Präsident Frederik Willem de Klerk, der ansonsten sehr skeptisch die Entwicklungen in seinem Land verfolgt. „Der neue Patriotismus bei der WM war ein Segen für unsere noch tief gespaltene Gesellschaft, ein wichtiger Beitrag für unsere Einheit und nationale Identität“, meinte die Politikwissenschaftlerin Nachi Majoe vom Politikinstitut Sairr in Johannesburg.
Bei der Beurteilung der WM sind sich die meisten Südafrikaner zumindest in einem Punkt einig: Es waren fantastische Wochen für die junge Demokratie, die erst 1994 das rassistische Apartheidsystem ablöste. Die Südafrikaner haben bewiesen, was sie zu leisten imstande sind: Sie hatten die Großveranstaltung perfekt organisiert, erfolgreich für Sicherheit gesorgt und sich mit ihrer Begeisterung und Gastfreundschaft den Respekt der Welt verdient - trotz nervtötender Vuvuzelas. Image-Untersuchungen zeigen, dass Südafrika tatsächlich weltweit positiver wahrgenommen wird als früher.
Auch deshalb meinte Wirtschaftsminister Rob Davies, dass es letztendlich nicht wichtig sei, ob die WM finanziell ein Erfolg war oder nicht. In der Tat gehen da die Meinungen heftig auseinander: Offiziell hat Südafrika rund 34 Milliarden Rand (3,1 Milliarden Euro) für Stadien, Flughäfen, Straßen und andere Infrastruktur ausgegeben. Die Regierung sagt, die WM habe dem Land ein halbes Prozent Wirtschaftswachstum beschert.
Südafrika werde noch viele Jahre von dem Reputationsgewinn der WM profitieren, betonte Davies. „Es gab viele Leute, die dachten, wir würden scheitern, aber wir haben es großartig geschafft.“ Auch der Organisationschef der WM, Danny Jordaan, verwies bei der Vorstellung seines WM-Buches auf den enormen Marketing-Erfolg, den die Veranstaltung dem Land gebracht habe. Südafrika werde „endlich nicht mehr als Hochburg der Kriminalität“ wahrgenommen.
Zweifellos entpuppte sich die WM auch als eine Goldgrube: Auf 3,6 Milliarden Dollar bezifferte die FIFA die Einnahmen. Fraglich ist nur, ob FIFA-Präsident Joseph Blatter Recht hatte, als er behauptete, die WM sei ein „großer, großer finanzieller Erfolg für Südafrika“ gewesen. Denn den Löwenanteil strich der Weltverband selbst ein.
In Südafrika gibt es nach wie vor manche Kritik an dem enormen Aufwand, der für die Ausrichtung der WM geleistet werden musste. „Es war eine tolle Party, aber wenn wir uns nüchtern die ökonomischen Auswirkungen anschauen, dann war es ein Schuss in den Ofen“, lästerte der Wirtschaftsexperte Chris Hart im „Mail & Guardian“. Zwar sei die Regierung gezwungen gewesen, wichtige Projekte zu verwirklichen, aber gegen die grassierende Arbeitslosigkeit - die bei offiziell 25 Prozent liegt - habe die WM nichts beitragen können. Einen Anstieg der Auslandsinvestitionen habe es auch nicht wie erhofft gegeben.
Selbst im Tourismusbereich ist Ernüchterung eingekehrt. Schon bei der WM waren statt der zunächst erwarteten 500 000 ausländischen Besucher nur etwa 300 000 gekommen. In Kapstadt beispielsweise hatten 2010 zahlreiche neue Hotels und Gästehäuser eröffnet - viele stecken jetzt in Existenznöten. Allerdings glaubt der nationale Tourismusverband, dass direkt und indirekt etwa eine Million der insgesamt acht Millionen Besucher 2010 der WM zu verdanken seien.
Das Gefühl, von der WM profitiert zu haben, wird bestärkt auf Grund des wachsenden politischen Gewichts Südafrikas. Das Land ist seit neuem Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Zudem nahmen die BRIC-Länder Brasilien, Russland, Indien und China Südafrika in den erlauchten Kreis der aufstrebenden Schwellenländer auf - nun nennt sich das ganze BRICS. „Südafrikas Stimme wird international immer mehr beachtet“, sagte jüngst Präsident Jacob Zuma. Er weiß, dass das auch der erfolgreichen WM zu verdanken ist.