Engländer wollen Redknapp - Pearce Interimscoach
London (dpa) - Nach dem überraschenden Rücktritt Fabio Capellos steht das Mutterland des Fußballs ohne Nationaltrainer da - und das nur vier Monate vor der Europameisterschaft. Nachfolge-Favorit ist Tottenham-Coach Harry Redknapp, Interimslösung U-21-Trainer Stuart Pearce.
Sogar der britische Premier David Cameron mischte sich nach dem Capello-Rücktritt in die nationale Angelegenheit ein. Wie viele Fußballstars bedauerte der Regierungschef die überraschende Entscheidung des Italieners. Wayne Rooney forderte nach erstem Entsetzen („das macht mich völlig fertig“) via Twitter einen Engländer als Nachfolger und sprach sich wie viele seiner Kollegen für Tottenham-Hotspur-Trainer Harry Redknapp aus. Als Interimslösung präsentierte der Verband FA Stuart Pearce, den Coach der britischen Olympia-Auswahl.
Im Freundschaftsspiel gegen die Niederlande am 29. Februar soll der 49 Jahre alte frühere Nationalspieler Pearce die „Three Lions“ ins Wembley-Stadion führen. Die Suche nach dem Capello-Erben werde „so schnell und so sensibel wie wir können“ betrieben, versicherte FA-Boss Bernstein in London. Gerade werde eine Wunschliste erstellt.
„Es tut mir leid, Fabio gehen zu sehen. Ich denke, er war ein guter Coach und ein guter Mann“, kommentierte Cameron unterdessen am Rande seines Staatsbesuchs in Schweden - und kritisierte Capellos Umgang mit der Kapitänsfrage: „Ich glaube nicht, dass er Recht hatte in der Angelegenheit um John Terry. Man kann nicht Kapitän sein mit dieser unbeantworteten Frage.“ Capello, dessen Vertrag nach der EM ausgelaufen wäre, war am Mittwoch nach einem Gespräch mit der FA zurückgetreten. Am Freitag hatte der Verband Terry wegen Rassismus-Vorwürfen als Kapitän abgesetzt - ohne Capellos Einverständnis. Dies wertete der stolze Italiener offenbar als Affront.
„Ich habe nichts gesagt und werde nichts sagen“, erklärte der 65-Jährige der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Über seinen Anwalt versicherte er der FA, dass ihm zugeschriebene wütende Aussagen nie gefallen seien. In einem Statement bedankte sich Capello bei „allen Spielern, Mitarbeitern und dem Fußballverband für die Professionalität“ in seiner Zeit als England-Coach seit Ende 2007. Gegen Terry beginnt am 9. Juli ein Gerichtsprozess, weil er einen dunkelhäutigen Gegenspieler beleidigt haben soll. Capello hatte am Sonntag in einem TV-Interview auf die Unschuldsvermutung gepocht und gesagt, dass Terry immer noch sein Kapitän sei.
Nach Capellos unerwartetem Goodbye geht es im englischen Nationalteam vier Monate vor EM-Beginn mal wieder drunter und drüber. „'Arryvederci“ titelte das Boulevardblatt „Sun“ am Donnerstag gehässig - und in Anspielung auf den Vornamen des Nachfolge-Favoriten. Redknapp selbst bremste im BBC-Interview die Erwartungen - ohne allerdings klar Nein zu sagen: „Meine ganze Konzentration gilt Tottenham.“ Er sei „schockiert“ über Capellos Rücktritt gewesen.
Redknapp war erst am Mittwoch von einem Londoner Gericht vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen worden. Der 64-Jährige ist noch 18 Monate vertraglich an Tottenham gebunden. Die Frage, ob der Tabellendritte der Premier League Redknapp früher gehen oder beide Jobs machen lässt, wollte Clubchef Daniel Levy zunächst nicht beantworten. Rooney forderte via Twitter: „Der neue Coach muss nun ein Engländer sein. Für mich Harry Redknapp.“
Viele Nationalspieler befürchten das Schlimmste. „Die Euro steht vor der Tür und wir haben keinen Coach?!“, erklärte Jack Wilshere vom FC Arsenal. Manchester Uniteds Rio Ferdinand schrieb: „Nun kündigt Capello.. was jetzt...“ Zumindest an dieser Diskussion wollte sich Cameron nicht beteiligen: „Der Tag, an dem der Premierminister den englischen Nationalcoach aussucht, wird ein sehr schlimmer Tag für den Fußball“, sagte der Premier.