Evian schießt sich in Rekordzeit in die 1. Liga
Paris (dpa) - Vier Jahre, drei Aufstiege: Dem Fußballclub Evian TG gelingt in Frankreich gerade ein Senkrechtstart wie zuletzt 1899 Hoffenheim in Deutschland. Jetzt muss sich das Team in der 1. Liga beweisen.
Aber an Wunder hat sich Evian längst gewöhnt.
Bixente Lizarazu hielt Wort: Splitterfasernackt lief der Fußball-Weltmeister von 1998 vorige Woche durch ein Hotel in Evian am Genfer See. Es war eine Wette, die der Ex-Bayern-Profi eigentlich nicht verlieren konnte - aber dann schaffte der von ihm unterstützte Fußballclub Evian-Thonon-Gaillard innerhalb von vier Jahren den Aufstieg von der 4. in die 1. französische Fußballliga. Am Samstag hat das Team aus den Alpen seinen ersten Auftritt auf der großen Bühne der Ligue 1. Doch der eilige Emporkömmling hat nicht wenige Neider: Viele Fußballfans nehmen dem Club die vielen Geldspritzen von Hauptsponsor Danone übel.
Den Spielern kommt der rasante Aufstieg im Moment noch etwas unwirklich vor. „Die Städte, die Stadien, die Gegner, der Medienrummel - alles ist viel größer in der 1. Liga, alles ist neu“, sagte Trainer Bernard Casoni dem „Figaro“. Einigen Spielern mache das noch Angst. „Vielleicht ist der Aufstieg in die 1. Liga ein bisschen schnell gekommen“, gab Vereins-Präsident Patrick Trotignon zu. „Aber deshalb wollen wir ja nicht gleich wieder absteigen.“
In den vergangenen Jahren hat sich der Club daran gewöhnt, immer an das Unmögliche zu glauben. Die Mannschaft zieht die Blicke der Fans jedenfalls längst nicht mehr nur wegen der ungewöhnlichen rosafarbenen Trikots auf sich.
Bis vor einigen Jahren spielten die Rosa-Kicker noch mittelmäßig erfolgreich in der 4. Liga. Doch dann begann sich Danone für die Mannschaft zu interessieren - immerhin stammt aus Evian auch eine umsatzstarke Wassermarke des Lebensmittelkonzerns. Mit der finanzkräftigen Hilfe gelang dem Club 2008 der Aufstieg in die 3. Liga. Dann kam neue Verstärkung: Zinedine Zidane, Bixente Lizarazu und Alain Boghossian - drei Ex-Profis aus dem Weltmeisterteam von 1998 - stiegen mit Geld und Kompetenz ein. 2010 gelang der Aufstieg in die 2. Liga, ein Jahr später der Durchmarsch in Liga 1. Da kam Lizarazu um seinem Nackt-Lauf dann nicht mehr herum.
Selbst die Vereins-Manager haben Mühe, mit dem sportlichen Aufstieg ihres Teams Schritt zu halten. Evian hat ein Fußballstadion mit gerade mal 2000 Plätzen - ein neues soll demnächst gebaut werden. Für ihre Heimspiele müssen die Kicker deshalb auf absehbare Zeit ins gut 80 Kilometer entfernte Annecy ausweichen. Pläne, die Spiele in der Nachbarstadt Genf auszutragen, scheiterten am Widerstand der UEFA - französische Ligaspiele in einem Schweizer Stadion wollte man dort nicht. Auch ein moderner Trainingsplatz fehlt Evian TG.
In der 1. Liga muss die Mannschaft zudem mit einem vergleichsweise kleinen Budget auskommen, denn der Danone-Konzern hat den Etat nicht noch einmal aufgestockt. Nur vier Neuzugänge gibt es deshalb, darunter Fabrice Ehret vom 1. FC Köln und Sidney Govou, der lange bei Serienmeister Olympique Lyon spielte und 49 mal für die Nationalmannschaft aufgelaufen ist.
„Wir wissen, dass unsere Saison nicht genauso rosa sein wird wie die schöne Farbe unseres Trikots, da muss man sich gar nichts vorgaukeln“, sagte Sportdirektor Pascal Dupraz der Zeitung „Le Monde“. Die Meisterschaft - darin sind sich die meisten Experten einig - wird in Frankreich ohnehin nur unter vier Clubs ausgespielt: Titelverteidiger OSC Lille, dessen Vorgänger Olympique Marseille, Lyon und Paris St.-Germain, das mit viel Geld wieder an die Spitze will. Evian möchte in dieser Saison einfach nur die Klasse halten.