FIFA-Präsident Blatter: Tortechnik „DIE Lösung“
Rio de Janeiro (dpa) - Jahrelang mochte sich Joseph Blatter mit der Einführung von technischen Hilfsmitteln nicht so recht anfreunden. Jetzt preist der mächtige FIFA-Chef sie als Heilsbringer für den Fußball.
„Es ist DIE Lösung, es ist nicht irgendeine Lösung“, sagte er über die Torlinientechnologie. Diese kommt im Eröffnungsspiel beim Confed Cup zwischen Brasilien und Japan am Samstag erstmals nicht nur zu Testzwecken, sondern hochoffiziell zum Einsatz.
14 Highspeed-Kameras sind in der Arena Mané Garrincha in Brasilia installiert - wie in den fünf weiteren Confed-Cup-Stadien auch. Das die vergleichsweise kleine deutsche Firma GoalControl aus Würselen den Zuschlag bekam, passt zu der ungewöhnlichen Geschichte der Revolution im Fußball-Regelwerk. Das Dogma lautet: Ein Wembley-Tor soll es nicht mehr geben und auch keinen Torklau wie bei der WM 2010 im Achtelfinale zwischen Deutschland und England (4:1).
Ein Signal auf der Armbanduhr beantwortet dem Referee künftig die Gretchenfrage des Fußballs: Tor oder kein Tor. Einen Machtverlust erleiden die Schiedsrichter nach Ansicht von FIFA-Chefreferee Massimo Busacca nicht. „Es ist auf jeden Fall eine Unterstützung für die Schiedsrichter. Wir verwandeln uns nicht in Roboter“, sagte der Schweizer in Rio de Janeiro. Die Schiedsrichter behalten trotz der Technik die Hoheit auf dem Platz. „Das System ist wie ein Autopilot in einem Flugzeug. Es hilft, aber die letzte Entscheidung trifft der Pilot - also der Schiedsrichter“, sagte FIFA-Marketingdirektor Thierry Weil.
Schwierig sei es gewesen, die Fußball-Entscheider zu überzeugen, erzählte Blatter in Rio de Janeiro und sprach dabei wohl auch ein bisschen von sich selbst. Die Fußball-Romantik vom einfachen Spiel mit einfachen Regeln geht mit dem Einzug der Technik nämlich verloren.
Auch wenn Blatter das nicht so sieht. „Der Fußball hat sein menschliches Gesicht behalten. Wenn man Hilfe hat, muss man die auch einsetzen. Für uns als FIFA war klar, was 2010 passiert ist, darf sich nicht wiederholen“, sagte Blatter nach dem Beschluss für eine Technikeinführung im vergangenen Sommer. Funktioniert GoalControl beim Confed Cup, haben die deutschen Entwickler beste Chance auf einen Zuschlag auch für die WM 2014 am Zuckerhut.
Nach dem Skandal durch den verwehrten Ausgleich der Engländer gegen das DFB-Team vor drei Jahren in Bloemfontein hatte Blatter keine andere Wahl mehr. Fußball-England schäumte. Die Fachwelt stellte bohrende Fragen. Er musste seine Meinung ändern. Das hatte der Schweizer in Südafrika nach fast zwei Tagen Schweigen erkannt. Der Prozess zur Einführung dauerte dann doch drei Jahre. Nun soll die Technik so ausgereift sein, dass sie über Wohl und Wehe entscheiden darf.
Eigentlich hatte die FIFA Projekte wie den Chip im Ball nach dürftigen Probeläufen bei Jugendturnieren für gescheitert erklärt. Im Juli 2012 entschied das von der FIFA kontrollierte Football Association Board IFAB dann gegen den Willen des europäischen Kontinentalverbandes, die Technik zu erlauben. Blatter sprach im Schweizer Fernsehen damals von einem „absolut historischen Tag“.
In Würselen bei Aachen hatte sich Dirk Broichhausen schon vor dem fatalen Fehlpfiff in Südafrika über eine Schiedsrichter-Entscheidung bei einem Spiel echauffiert. Das war der Auslöser für ihn, mit seinem damaligen Unternehmen, spezialisiert auf kamerabasierte Systeme, die Fehler bei der Produktion von Gummi- und Kunststoffteilen erkennen, mit viel Enthusiasmus die Entwicklung von Torkameras voranzutreiben.
Im April folgte nach einer aufwändigen Test- und Genehmigungsphase der Zuschlag durch die FIFA - gegen starke und wirtschaftlich potentere Konkurrenten. „Wir wussten, dass wir eine super Technik haben“, sagt Broichhausen. So sieht das auch Blatter vor der Premiere in Brasilia.