Frankreich feiert die Wiedergeburt der „Doggen“
Paris (dpa) - Party pur im Bergbaurevier: Nach einer Durststrecke von 56 Jahren hat der OSC Lille mit dem Gewinn des französischen Pokals endlich wieder einen Titel gewonnen.
Im Finale setzte sich der Ligue-1-Leader gegen Titelverteidiger Paris St. Germain durch den Last-Minute-Treffer des Polen Ludovic Obraniak mit 1:0 (0:0) durch. Trainer Rudi Garcia konnte es kaum fassen. „Kapiert ihr das überhaupt? 56 Jahre mussten die Menschen bei uns im Norden darauf warten. Wir sind hin und weg“, sagte der 47-jährige Coach nach seinem ersten Titelgewinn.
Vor 80 000 Zuschauern im ausverkauften Pariser Stade de France hatte Obraniak das hartumkämpfte Endspiel erst Sekunden vor dem Abpfiff mit einem direkt verwandelten Freistoß entschieden. Die Wiedergeburt der „Doggen“, wie die Spieler mit den roten Trikots wegen des Kampfgeistes früherer Kumpel-Generationen genannt werden, wurde von den Medien gefeiert: „Lille unwiderstehlich“, titelte die Sportzeitung „L'Équipe“, während das Regionalblatt „Nord éclair“ auf Seite eins mit Riesenlettern gratulierte: „Bravooo Lille!“.
Zehntausende stürmten in Lille nach dem Abpfiff jubelnd auf die Straßen, um den sechsten Pokaltriumph mit Hupkonzerten, Fahnen und einem Feuerwerk zu feiern. Die ganz Mutigen sprangen trotz kühler Temperaturen um die zehn Grad sogar in den Brunnen des Grand Place. Bürgermeisterin Martine Aubry freute sich bereits vor dem Empfang der Sieger im Rathaus: „Der Club führt die Menschen zusammen, die Stadt ist wie im Trance“.
Groß feiern durften die Profis um das junge belgische Supertalent Eden Hazard (20) derweil in der Nacht zum Sonntag noch nicht. Nach einem kleinen Champagnerschluck mussten sie schnell ins Bett, denn die Nordfranzosen träumen vom Double. Drei Runden vor Saisonende hat Lille vier Punkte Vorsprung vor Noch-Meister Olympique Marseille und empfängt im Métropole den FC Sochaux. „Ab sofort konzentrieren wir unsere ganze Energie auf die Liga“, sagte Hazard.
Ironie des Schicksals: Schon am Samstag könnte Lille wieder gegen Paris SG und wieder in der Hauptstadt (diesmal aber im Prinzenpark) einen weiteren Titel holen, denn die Pokal-Rivalen treffen am 37. Spieltag erneut aufeinander. Und Lille will in diesem Jahr endlich den vierten Liga-Titel, den ersten seit 1954 gewinnen. Medien nennen Lille jetzt schon das „Barcelona Frankreichs“.
Vorne wirbeln beim OSC der ivorische Stürmer Gervinho (23) auf links, Hazard auf rechts und Senegals National-Mittelstürmer Moussa Sow (25), mit 21 Treffern bester Ligue-Torjäger. Im Mittelfeld glänzen Nationalspieler Yohan Cabayé (24) und Teamkapitän Rio Mavuba (25). Und hinten sorgen Nationaltorwart Mickaël Landreau (30) und Innenverteidiger Adil Rami (24), der im Sommer nach Valencia wechselt, für Sicherheit.
Für den Erfolg der Lillois ist aber auch ein Mann verantwortlich, der selten den Rasen betritt. Der Unternehmer und Filmproduzent Michel Seydoux (63) übernahm 2005 die Präsidentschaft und führte den Club, der ungeachtet seiner Tradition in den 70er Jahren sogar in den Amateurbereich abgestürzt war, mit umsichtiger Nachwuchsarbeit nach und nach zurück zur Spitze. „Dieser Erfolg ist für die gesamte Region Nord immens wichtig“, sagte Seydoux, und fügte an: „Am meisten habe ich mich gefreut, als ich eben gehörte habe, wie ein Opa, der 1956 dabei war, seinem Enkel gesagt hat: "Du wirst auch deinen Enkelkindern erzählen können, dass du dabei gewesen bist"“.