Fußballfans mischen polnischen Wahlkampf auf: „Schluss mit den Repressionen!“
Warschau (dpa) - Wo immer der „Tuskbus“ auftaucht - die Fans sind schon da. Nicht nur die Anhänger und Wähler der liberalkonservativen Bürgerplattform und des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, sondern auch junge Männer in Vereinsfarben und Springerstiefeln, oft stiernackig und kurzhaarig.
Mit Sprechchören und martialischem Auftreten lenken sie von den Wahlkampfthemen vor den polnischen Parlamentswahlen am 9. Oktober ab. Mal fliegen Eier, mal gehen die Fans auf Tuchfühlung mit den Vertretern der Regierung, von der sie sich zu Unrecht schikaniert fühlen. „Schluss mit den Repressionen!“ skandieren sie immer wieder und drohen, am Wahlsonntag werde die Regierung mit ihren Stimmen „in den Müll geworfen“.
Regierungschef Tusk trat nun die Flucht nach vorne an und traf sich mit Fanvertretern in Warschau. „Das war ein Sparring, das unentschieden endete“, meinte Jaroslaw Pucek, einer der Fanvertreter, nach dem zweistündigen Gespräch. „Aber da es für uns ein Auswärtsspiel war, zählt jedes Tor doppelt.“
Die Leidenschaft für Fußball ist Tusk nicht fremd. Einst war er Kapitän und Stürmer der Mannschaft des polnischen Parlaments. Sportlich ist er nach wie vor - vor wenigen Wochen veröffentlichte eine polnische Boulevardzeitung Bilder des Regierungschefs beim Joggen, wobei er seinen Leibwächter mühelos abhängte.
Doch wenn es um Hooligans und Fanrandale geht, kennt Tusk kein Pardon. Im Fall seiner Wiederwahl will er bei der Eröffnung der Fußball-EM 2012 im neuen Warschauer Nationalstadion keine der hässlichen Szenen sehen, die im Mai beim Endspiel um die polnische Meisterschaft viele Fußballfreunde schockierten. Hooligans, die damals den Rasen stürmten, Polizisten und Journalisten attackierten, mit Steinen und Feuerwerkskörpern warfen, soll es bei der WM nicht geben. Und auch die rassistischen und antisemitischen Sprechchöre, mit denen bei polnischen Vereinspielen die Anhänger gegnerischer Teams oft beschimpft werden, sollen keinen Schatten auf das Fußballfest werfen.
Tusks Regierung hat das Gesetz über öffentliche Sicherheit verschärft, Schnellverfahren gegen gewalttätige Fans eingeführt. Fans sprechen von einem Krieg der Regierung gegen die Fußballanhänger, sehen die Freiheit des Wortes eingeschränkt. „Wir werden als Bürger zweiter Klasse behandelt“, beklagten sie sich bei Tusk. „Wir haben genug von der Schikane“, beschwerte sich Tomasz Pietka von den Fans des Vereins Jagiellonia Bialystok vor dem Treffen mit dem Regierungschefs, Das Alkoholverbot in Stadien stößt den Fans genauso sauer auf wie die hohen Bußgelder und Stadionverbote, mit denen künftig rassistische Sprechchöre geahndet werden sollen.
„Kollektivstrafen wird es nicht geben“, versuchte Tusk die Fans zu besänftigen. Er stellte aber auch klar: Eine Milderung des Gesetzes ist mit seiner Regierung nicht zu machen. „Ich weiß, dass ein Stadion kein Theater ist, aber für Hooliganismus und Banditentum wird es keinerlei Toleranz geben.“ Das Gespräch mit den Fans soll fortgesetzt werden - nach den Wahlen.